Klassisches Baurecht: Asylbewerberunterkunft in allgemeinem Wohngebiet

Gebietserhaltungsanspruch / Gebot der Rücksichtnahme

OVG Bautzen, B. vom 08.02.2024 -1 B 242/23

Die Antragsgegnerin, die Stadt Dresden (S), erteilt sich selbst für ein ihr gehörendes Grundstück –bisher eine Grünfläche- eine Baugenehmigung zur „Errichtung mobiler Raumeinheiten zur Unterbringung von Asylbewerbern, Errichtung von Fahrradabstellplätzen und einer Einfriedung – befristet für fünf Jahre, Antrag auf Abweichung von den Vorschriften der SächsBO“. Die geplante Anlage umfasst 48 Plätze für Asylbewerber. Die Freifläche wird südlich durch eine Hauptstraße des betreffenden Stadtteiles begrenzt. Auf der anderen Straßenseite befindet sich ein im Eigentum der Antragstellerin E stehender Hotel-, Gaststätten- und Spabetrieb, dessen Betreiberin B weitere Antragstellerin ist. Die Antragstellerinnen begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die (aufgrund § 212a I BauGB kraft Gesetzes sofort vollziehbare) Baugenehmigung (§§ 80a I1 Nr. 2, III, 80 V VwGO).

Gegen den zurückweisenden Beschluss des VG Dresden hat nur noch die E Beschwerde erhoben, die keinen Erfolg hatte.

Der Antrag der B sei unzulässig (offenbar, weil ihr als nur obligatorisch und nicht dinglich berechtigter Pächterin von vornherein aufgrund der Grundstücksbezogenheit des Baurechts kein subjektives öffentliches Recht zustehen kann). Auch die E könne bei summarischer Prüfung keine Verletzung nachbarschützender Rechte geltend machen.

Soweit die E der Auffassung sei, bei einer Identität von Bauherr und Genehmigungsbehörde müsse über die Verletzung in eigenen nachbarschützenden Rechten hinaus auch die objektive Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung geprüft werden, sei dies verfehlt. E könne sich dazu nicht auf Art. 19 IV GG berufen, weil diese Norm zu schützende Rechte voraussetze und nicht selbst begründe.

Die Zuständigkeit der S als untere Bauaufsichtsbehörde ergebe sich aus § 57 I 2, 1 Nr. 1 SächsBO, so dass dahingestellt bleiben könne, ob § 57 SächsBO Drittschutz vermitteln könne.

§ 20 VwVfG (Ausgeschlossene Personen) regele nur einen persönlich-individuellen Anwendungsbereich, nicht hingegen die sog. institutionelle Befangenheit. Die Entscheidung einer Behörde im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit sei auch in eigenen Angelegenheiten nicht zu beanstanden.

Das Beteiligungsrecht als Nachbarin aus § 70 SächsBO sei nicht verletzt, weil Nachbarn nur vor Erteilung von Abweichungen und Befreiungen angehört werden müssten, wenn zu erwarten sei, dass öffentlich-rechtlich geschützte nachbarliche Belange berührt werden. Abweichungen seien hier nur von den nicht nachbarschützenden Vorschriften nach § 50 SächsBO (Barrierefreiheit) und von § 7 Abs. 3 und 4 Sächsische Stellplatz-, Garagen- und Fahrradabstellsatzung (Eingrünung von Stellplätzen) erteilt worden.

Die Baugenehmigung leider auch nicht an einem Begründungsdefizit. § 72 II 2 SächsBO sei dabei die spezieller Vorschrift zu § 39 VwVfG. Danach sei die Baugenehmigung nur insoweit zu begründen, als Abweichungen oder Befreiungen von nachbarschützenden Vorschriften zugelassen werden und der Nachbar nicht nach § 70 II SächsBO zugestimmt habe. Die Begründungspflicht entfalle damit, soweit die Bauaufsichtsbehörde einem Antrag entspreche oder einer Erklärung folge und die Genehmigung nicht in Rechte eines anderen eingreife und demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt sei oder der von ihm betroffen werde, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits kenne oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar sei.

In materieller Hinsicht scheide eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs aus, unabhängig davon, ob es sich um Außenbereich oder um unbeplanten Innenbereich handele und das Gebiet der näheren Umgebung als allgemeines Wohngebiet, Mischgebiet oder als Gemengelage einzustufen sei. Auch in einem allgemeinen Wohngebiet seien Asylbewerberheime jedenfalls als Anlagen für soziale Zwecke nach § 4 II Nr. 3 BauNVO anzusehen.

Auch ein Verstoß des in §15 I 2 BauNVO enthaltenen Gebots der Rücksichtnahme vor unzumutbaren Belästigungen und Störungen liege (bei unterstelltem faktischen allgemeinen Wohngebiet) nicht vor.

Die Zusammensetzung der Bewohner oder Nutzer einer Unterkunft nach ihrer Herkunft, Abstammung und ihrem Familienstand sei kein städtebaulich relevantes Kriterium. Bach der Zahl der unterzubringenden 48 Asylbewerbern sei das Vorhaben nicht generell geeignet, den Charakter eines allgemeinen Wohngebiets zu stören.

Soweit die E unzumutbare Belästigungen oder Störungen befürchte, die „typischerweise“ von einer Unterkunft für Flüchtlinge und Asylbewerber ausgingen und Hotelmitarbeiterinnen zur Kündigung veranlassen oder Gäste von einer Hotelbuchung abhalten könnten, sei bereits im Hinblick auf die Größe der Unterkunft, nicht ersichtlich, dass sich die abstrakte Gefahr von Straftaten durch den Betrieb der Unterkunft hinreichend konkretisiere. Auch gebe es keinen Anhalt dafür, dass von Flüchtlings- und Asylbewerberunterkünften typischerweise eine konkrete Gefahr für die Bewohner der näheren Umgebung aufgrund des von der E befürchteten straffälligen Verhaltens einzelner Asylbewerber angesichts von Presseberichten über eine statistische Überrepräsentation männlicher Flüchtlinge bei den Tatverdächtigen.

Nichts anderes gelte in Bezug auf in der näheren Umgebung arbeitende oder sich sonst temporär dort aufhaltenden Personen. Eine mehr als unspezifische Besorgnis eines „trading down“ bestehe nicht.

Das Vertrauen auf eine auch künftig unbeeinträchtigte Aussicht auf die gegenüberliegenden Grünflächen sei nachbarrechtlich nicht geschützt.

§ 123 VwGO-Antrag eines Bäckereiunternehmens auf Untersagung einer Information im Internet, dass an schwerzugänglichen Stellen Mäusekot gefunden wurde

 

OVG Münster B. v. 31.03.2022 -9 B 159/22- NJW 2022, 1897,

VG Düsseldorf B. v. 24.01.2022 -16 L 53/22 :

§ 123 VwGO Eilantrag eines Bäckereiunternehmens, der Antragsgegnerin im Wege einer e. A. zu untersagen, auf der Internetseite „lebensmitteltransparenz.nrw.de“ den sich aus dem Anhörungsschreiben (…) ergebenden Inhalt zu veröffentlichen,

insbesondere den Vermerk: „An schwerzugänglichen Stellen wurde Mäusekot vorgefunden“, hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Inhalt nur gemeinsam mit (der …) übermittelten Stellungnahme zu veröffentlichen. Das VG hat den Antrag abgelehnt, die Beschwerde hat Erfolg. Ein Anordnungsgrund liege angesichts der (noch) geplanten Veröffentlichung und deren irreparablen Folgen vor. Nach Auffassung des OVG besteht auch ein Anordnungsanspruch. Die Antragstellerin können ihren öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruches auf Art.12 Abs. 1 GG stützen, weil ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die Berufsfreiheit drohe. Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage für die staatliche Information nach § 40 Ia 1 Nr. 3 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) lägen nämlich wohl nicht vor („Die zuständige Behörde informiert die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels [….] sowie unter Nennung des Lebensmittel[…]-unternehmens […], wenn der durch Tatsachen […] hinreichend begründete Verdacht besteht, dass […] 3. gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist und deswegen gemäß § 41 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.“).

Das OVG fordert klassisch eine verfassungskonforme Anwendung der Norm bereits auf Tatbestandsebene: Der Verdacht müsse durch Tatsachen belegt sein, der Verstoß von nicht nur unerheblichem Ausmaß und zusätzlich müsse ein Bußgeld/strafrechtliche Sanktionierung zu erwarten und deswegen eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt sein. Nach dem konkreten Sachverhalt, der in einer Klausur umfassend ausgewertet werden müsste, sind für das OVG diese Voraussetzungen nicht hinreichend gegeben. Das VG hatte den Sachverhalt noch anders interpretiert.

Weitere examensrelevante Entscheidungen

Weitere examensrelevante Entscheidungen

VG Potsdam, B. v. 14.05.2021 -3 L 327/21-, LKV 2021, 335

Teilweise erfolgreicher Eilantrag, die Vollziehung des Bescheids über die Veräußerung von 26 beschlagnahmte Hunde auszusetzen.

Die Veterinärbehörde erlässt aufgrund tierschutzwidriger Zustände einen Bescheid über die Fortnahme von 22 Hunden und kündigt deren Veräußerung an.

Das VG legt das Begehen dahingehend aus, dass begehrt werde, dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO vorläufig zu untersagen, die in seinem Bescheid bezeichneten 22 Hunde zu veräußern (Die Differenz 26 Hunde zu 22 Hunde wird nicht erläutert).

Es bejaht einen Anordnungsgrund, weil nach Aktenlage die Behörde geäußert habe, die Tiere nur noch eine Woche mit der Veräußerung zu warten und diese weiter unterzubringen, weil beständig Kosten aufliefen.

Ein Anordnungsanspruch bestehe, weil die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Veräußerung nach § 16a I 2 Nr. 2 TierSchG derzeit (noch) nicht vorlägen. Die Norm setze, weil sie nur zum Erlass eines VA und nicht selbst zum Handeln im Wege unmittelbarer Ausführung ermächtige (Bezugnahme auf BVerwG, U. v. 12.01.2012 -7 C 5/11-), eine Veräußerungsanordnung voraus. Die Ankündigung im Bescheid sei kein solcher VA. Eine Veräußerung im Wege des Sofortvollzuges nach § 27 I 2 VwVGBBg scheide mangels gegenwärtiger Gefahr aus: Die Behörde habe selbst zunächst eine Rückgabe der Tiere in Aussicht gestellt und hätte die Veräußerungsanordnung samt Sofortvollzugsanordnung bereits erlassen können.

Das VG hat konsequenterweise die Untersagung im Tenor eingeschränkt: Die Anordnung endet, sobald der Antragsgegner dem Antragsteller eine die 22 Hunde betreffende Veräußerungsanordnung bekanntgegeben hat und diese vollziehbar ist.

§ 16a I TierSchG: „Die zuständige Behörde trifft die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann insbesondere (…) 2. ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist; ist eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich oder ist nach Fristsetzung durch die zuständige Behörde eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung durch den Halter nicht sicherzustellen, kann die Behörde das Tier veräußern; die Behörde kann das Tier auf Kosten des Halters unter Vermeidung von Schmerzen töten lassen, wenn die Veräußerung des Tieres aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist oder das Tier nach dem Urteil des beamteten Tierarztes nur unter nicht behebbaren erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden weiterleben kann, (…).

OVG Münster, B. v. 26.4.2021 – 14 A 2062/17-, NVwZ-RR 2021, 684,

VG Köln, U. v. 28.06.2017 -24 K 7563/16-:

Anfechtungsklage der Betreiberin einer großen Onlineplattform für die Vermittlung von Ferienwohnung und Übernachtungen in Privatwohnungen gegen einen Bescheid der beklagten Stadt Köln, mit welcher diese Auskünfte verlangt:

Die Stadt Köln erhebt auf der Grundlage einer „Satzung zur Erhebung einer Kulturförderabgabe im Gebiet der Stadt Köln“ eine Kulturförderabgabe als Aufwandsteuer (sogenannte „Bettensteuer“). Abgabenschuldner ist der Beherbergungsgast. Abgabenentrichtungspflichtiger ist der Betreiber des Beherbergungsbetriebes. Er hat die Kulturförderabgabe für Rechnung des Beherbergungsgastes von diesem einzuziehen, an das Kassen- und Steueramt der Stadt Köln zu entrichten und vierteljährlich eine Abgabenerklärung einzureichen.

Nach § 12 I der Satzung (Mitwirkungspflichten) sind Hotel- und Zimmervermittlungsagenturen sowie Dienstleistungsunternehmen ähnlicher Art verpflichtet, dem genannten Amt die Beherbergungsbetriebe mitzuteilen, an die entgeltliche Beherbergungsleistungen vermittelt werden. Hat der Abgabenentrichtungspflichtige seine Verpflichtung zur Einreichung der Abgabenerklärung sowie zur Einreichung von Unterlagen nicht erfüllt oder ist er Abgabenentrichtungspflichtige nicht zu ermitteln, sind diese Agenturen über die Verpflichtung nach Abs. 1 hinaus auf Verlangen zudem zur Mitteilung über die Person des Abgabenpflichtigen und alle zur Abgabenerhebung erforderlichen Tatsachen verpflichtet.

Im konkreten Fall gab die Beklagte auf, von allen Beherbergungsbetrieben (Hotel, Gasthof, Pension, Privatzimmer, Jugendherberge, Ferienwohnung, Motel, Campingplatz, Schiff) im Stadtgebiet der Beklagten, welche die Klägerin vermittele, Name und Anschrift des Beherbergungsbetriebes, den jeweiligen Zeitpunkt, seit dem die Beherbergungen angeboten werden anzugeben und neu hinzukommende Beherbergungsbetriebe regelmäßig nachzumelden.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den Bescheid hinsichtlich der Verpflichtung, regelmäßig neu hinzukommende Beherbergungsbetriebe zu melden und den jeweiligen Zeitpunkt mitzuteilen, seit dem die Beherbergungen angeboten werden, aufgehoben. Beide Seiten haben den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Das VG hat die Klage im Übrigen abgewiesen und die Kosten zu 2/3 der Klägerin und zu 1/3 der Beklagten auferlegt. Das OVG hat die Berufung nicht zugelassen.

Das VG hat bezweifelt, ob § 12 Abs. 1 der Satzung zu dem Auskunftsbegehren ermächtige. Hieran bestünden erhebliche Zweifel, weil der in § 93 Abs. 1 Satz 2 AO (damalige Fassung) festgelegte Grundsatz der Subsidiarität, wonach andere Personen als die Beteiligten nur dann zur Auskunft herangezogen werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führe oder keinen Erfolg verspreche, nicht in die Satzung übernommen wurde. Fraglich sei, ob dieser Grundsatz der Subsidiarität in § 12 der Satzung hineingelesen werden könne bzw. lediglich eine den § 93 AO konkretisierende Vorschrift sei.

Das VG hat dies dahinstehen lassen: Falls § 12 I der Satzung unwirksam sei, würde dies nur zu einer Teilnichtigkeit der Satzung führen, weil die Satzung auch ohne die die Vorschrift sinnvoll bliebe und mit Sicherheit anzunehmen sei, dass sie auch ohne die Regelung des § 12 I erlassen worden wäre.

Rechtsgrundlage des Auskunftsbegehrens sei jedenfalls in § 92 S. 2 Nr. 1 i. V. m. § 93 I AO (damaliger Fassung), die über § 12 I Kommunalabgabengesetz NRW auf Kommunalabgaben entsprechend anzuwenden seien.

Ein Austausch der Rechtsgrundlage in der Begründung sei möglich, weil sich der VA dadurch nicht seinem Wesen nach ändere (Bezugnahme u. a. auf BVerwG, U. v. 31.03.2010 – 8 C 12/09 –Rdnr. 16).

Weitere erörterte Fragen: formelle RM: Fehlende Anhörung (hier nach AO) ist im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden.

Hinreichende Bestimmtheit: Eine nachträgliche „Präzisierung“ in der mündlichen Verhandlung sei möglich (Bezugnahme auf BVerwG, B. v. 21.06.2006 – 4 B 32/06 –, Rdnr. 1).

Materielle RM (u. a.): Vorliegen der Voraussetzungen des § 93 I 1 AO damaliger Fassung („Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.“). Eine Ausnahme von der Soll-Regelung, die Auskünfte von den Beteiligten zu verlangen, liege u. a vor, wenn . -wie hier- die Beteiligten unbekannt seien. Das Auskunftsersuchen sei auch ist notwendig und erforderlich, weil eigene Recherchen wie manuelle Einzelabfragen zu aufwändig seien und nur unvollständige Ergebnisse brächten. Es sei auch zumutbar: Der Aufwand der Klägerin, um die von der Beklagten angeforderten Daten zu erheben, stehe nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit für die Allgemeinheit durch den zu erwartenden fiskalischen Ertrag (Zweck-Mittel-Verhältnis).

Der Eingriff durch das Offenbaren-Müssen von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sei gerechtfertigt.

OVG Weimar, B. v. 4.03.2021 -3 EO 763/20- LKV 2021, 334

Erfolgloser § 80 V-VwGO-Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage eines Bezirksschornsteinfegers gegen einen Bescheid, mit dem unter anderem die Bestellung als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger aufgehoben wurde nach § 12 I Nr. 2 des Gesetzes über das Berufsrecht und die Versorgung im Schornsteinfegerhandwerk (Schornsteinfeger-Handwerksgesetz – SchfHwG; vgl.

§ 12 SchfHwG Aufhebung der Bestellung

(1) Unbeschadet der Regelungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder über Rücknahme und Widerruf eines Verwaltungsakts ist die Bestellung aufzuheben

(…), 2. wenn Tatsachen nachweislich belegen, dass der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger die erforderliche persönliche oder fachliche Zuverlässigkeit für die Ausübung des Amtes nicht besitzt,(…). (…)

(3) Widerspruch und Anfechtungsklage haben im Fall des Absatzes 1 Nummer 2 und 3 keine aufschiebende Wirkung. (…..)).

Behörde und Gerichte haben die Prognose der persönlichen Unzuverlässigkeit aufgrund einer strafgerichtlichen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten auf Bewährung wegen Vortäuschen einer Straftat sowie eines Betruges bejaht, weil er nicht mehr die Gewähr dafür biete, dass er Grundrechte der Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Räumen, denen er in Ausübung seines Berufes gegenübertritt, jederzeit verlässlich achte.

VG Berlin, B. v. 01.02.2021 – 4 L 25/21 NJOZ 2021, 924.

§ 123-VwGO-Antrag eines Vermittlungsunternehmens, das Blumensträuße und Blumen überörtlich vermittelt auf Feststellung, am Sonntag den14.02.2021, dem Valentinstag, in ihrer Telefonzentrale im Servicecenter in Berlin 50 Mitarbeiter beschäftigen zu dürfen.

Ein Antrag auf eine Ausnahmebewilligung nach § 13 III Nr. 2 lit. b Arbeitszeitgesetz (ArbZG); „Die Aufsichtsbehörde kann [….] abweichend von § 9 bewilligen, Arbeitnehmer zu beschäftigen [….] an bis zu fünf Sonn- und Feiertagen im Jahr, wenn besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens dies erfordern“) war im September 2020 gestellt und im Oktober 2020 abgelehnt worden: Die Antragstellerin könne wie sonst auch an Sonntagen verfahren, an denen Bestellungen bis Samstag 11.Uhr aufzugeben seien. Das Widerspruchsverfahren läuft.

Am 22.01. beantragt das Unternehmen, festzustellen, für diese Sonn- und Feiertagsarbeit keiner Ausnahmebewilligung zu bedürfen, weil sie bereits nach der Berliner Bedürfnisgewerbeverordnung (BedGewV BE) erlaubt sei. Für den Fall, dass dies zu verneinen sei, müsse die Behörde jedenfalls eine Ausnahmebewilligung nach dem Arbeitszeitgesetz erteilen, da besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens dies erforderten (Konkurrenz biete Zustellung am Valentinstag an, Valentinstag umfasse alleine 4% des Jahresumsatzes; Anträge wurde in der Vergangenheit stattgegeben).

§ 9 I ArbZG lautet: „Arbeitnehmer dürfen an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden.“

Antragsauslegung: Das VG hat angenommen, dass primär begehrt werde, im Wege einer e. A. nach § 123 I 2 VwGO festzustellen, dass die Sonn- und Feiertagsarbeit für 50 Mitarbeiter im Servicecenter am 14. Februar 2021 in der Zeit von 7:00 – 16:00 Uhr zulässig sei und hilfsweise, den Antragsgegner nach § 123 I 2 VwGO zu verpflichten, ihr eine Ausnahmegenehmigung nach § 13 III Nr. 2 lit. ArbZG für (…) zu erteilen.

Der Hauptantrag ist nach Auffassung des VG zulässig, weil Verstöße bußgeldbewehrt seien und es unzumutbar sei, ein solches Verfahren abzuwarten Er sei aber unbegründet. Es fehle an einem Anordnungsanspruch.

§ 1 I Nr. 7 BedGewV BE

(„Soweit die Arbeiten nicht an Werktagen durchgeführt werden können, dürfen abweichend von § 9 Arbeitszeitgesetz Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen in den folgenden Bereichen beschäftigt werden: 7. [….]im Dienstleistungsbereich mit der Betreuung von Kunden mittels Telefon oder Datenübertragung, […])

sei bereits nicht von der verfassungskonform auszulegenden Ermächtigungsgrundlage des § 13 I Nr. 2 lit. a und II 1 ArbZG gedeckt.

Das VG nimmt Bezug auf BVerwGE 150, 327 zur hessischen Parallelnorm. Das BVerwG vermisse die erforderliche Beschränkung der Dienstleistungen auf Notfälle.

Eine Analogie zu § 1 I Nr. 1 lit. a BedGewV BE (Abweichung für Blumengeschäfte, Gärtnereien) scheide aus, weil diese Gestattung bereits aus dem Berliner Ladenöffnungsgesetz folge.

Der Hilfsantrag habe Erfolg, weil glaubhaft gemacht sei, dass aufgrund besondere Verhältnisse –Valentinstag fällt auf einen Sonntag- zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens der Erlaubnistatbestand des § 13 III Nr. 2 lit. b ArbZG erfüllt sei und darüber hinaus das Ermessen auf eine Erteilung reduziert sei.

OVG Münster, B. v. 07.01.2021-8 B 548/20

Erfolgreicher § 80 V-VwGO Antrag eines Betreibers einer Bäckerei mit Café in einem Gewerbegebiet gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Bauschuttrecyclinganlage (Anlage nach Nr.8.15.2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV).

Zulässigkeit: Der Antragsteller ist als Erbbauberechtigter mit eigentumsähnlichen dinglichen Rechten an einem Grundstück antragsbefugt.

Begründetheit-Inzidentüberprüfung: Die Anlage sei gewerbegebietsunverträglich und gehöre in ein Industriegebiet gehöre (vgl. § 8 und 9 BauNVO), obwohl das Vorhaben nach § 19 BImSchG dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zugeordnet sei. Ein Nachbar im Baugebiet könne sich auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden, wenn er selbst durch sie nicht unzumutbar beeinträchtigt werde Gebietsgewährleistungs- oder Gebietserhaltungsanspruch).

* In der Sache sei die Genehmigung in sich widersprüchlich, weil einerseits das Lärmgutachten davon ausgehe, dass die Sieb- und Brechanlage bei geschlossener Halle betrieben werde, andererseits eine entsprechende Nebenbestimmung fehle und erlaubt werde, dass ein Tor für Transporte offenstehe.

* Gebiet als Gewerbegebiet sei nicht funktionslos, weil es schon jetzt industriegebietstypische Anlagen gebe (klausurtypische Sachverhaltsauswertung)..

Bauschuttrecyclinganlagen weisen im Hinblick auf den verursachten Lärm, Staub und Erschütterungen regelmäßig ein hohes Störpotential auf, das gegen ihre bauplanungsrechtliche Zulässigkeit in Gewerbegebieten spricht.

* Keine Zulassung im Gewerbegebiet, weil der Bebauungsplan eine Gliederung nach der Art der Betriebe und Anlagen (§ 1 IV S. 1 Nr. 2 BauNVO) vornehme, weil dann die Anlage sowohl der allgemeinen, hier nach § 8 BauNVO zu beurteilenden Zweckbestimmung eines Baugebiets als auch den speziellen Festsetzungen eines solchen gegliederten Baugebiets genügen müsse. Andernfalls würde die Pflicht des § 1 III 1 BauNVO verletzt, im Bebauungsplan ein in § 1 Abs. 2 BauNVO bezeichnetes Baugebiet festzusetzen (Bezugnahme u. a. auf BVerwG, Urt. v. 23. April 2009 – 4 CN 5.07 -). Ließe man in dem festgesetzten Gewerbegebiet gleichwohl industriegebietstypische Vorhaben zu, schüfe dies der Sache nach einen gesetzlich nicht vorgesehen neuen Gebietstyp.

Die speziellen Vorgaben der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans (konkret Nr. 788 der Stadt Krefeld) zu den möglichen Ausnahmen seien nicht erfüllt (Sachverhaltsauswertung).

OVG Hamburg, B. v. 2. Dezember 2020 -2 Bs 207/20- NordÖR 2021, 176

Schöne Darlegungen zum Vorliegen eines Sofortvollzugsinteresses:

Die Behörde erlässt (vereinfacht) eine für sofort für sofort vollziehbar erklärte Anordnung zur Verringerung der Höhe ihres Zauns (statt 1,8 m nur 1,5 m) auf einer Länge von 10 M. Die Höhe verstoße gegen die BauO, eine Abweichung komme nicht in Betracht. Der Sofortvollzug rechtfertige sich aus dem Gesichtspunkt der Durchsetzung der Autorität der bauaufsichtlichen Vorschriften und der negativen Vorbildwirkung. Der § 80 V-VwGO-Antrag hat vor dem OVG Erfolg, anders noch das VG. Die Durchsetzung der Autorität der bauaufsichtlichen Vorschriften ist nach dem OVG –richtig- non vornherein nicht zur Begründung des Sofortvollzuges geeignet, weil insoweit besondere Gründe über die, welche den Verwaltungsakt selbst decken, vorliegen müssen. Die Beseitigungsanordnung nach der BauO diene bereits der Herstellung rechtmäßiger Zustände.

Die Gefahr eines Nachahmens (also Generalprävention) könne hingegen den Sofortvollzug rechtfertigen, wenn die Gefahr hinreichend konkret ist und die zu befürchtenden Verstöße ausreichend gewichtig sind, abhängig von Art und Ausmaß der zu erwartenden Verstöße. Diese sind –so das OVG m. E. überzeugend- von einem ausreichenden Gewicht, wenn ihre Hinnahme über den Zeitraum vom Erlass einer Beseitigungsanordnung bis zum Eintritt ihrer Bestandskraft mit dem Sinn und Zweck der verletzten Vorschrift nicht mehr zu vereinbaren ist.

Im konkreten Fall hat das OVG allerdings die Gefahr einer Nachahmung, weil in der Umgebung alle Anwesen bereits Zäune hätten und nicht zu erwarten sei, dass die Anwohner diese durch höhere ersetzten. Auch sei der Verstoß nicht besonders gravierend, weil Einfriedungen bis 2 m verfahrensfrei seien.

OVG Hamburg, B. v. 1. Dezember 2020 -4 Bs 84/20NordÖR 2021, 135

VG Hamburg, B. v. 28.04.2020 -15 E 3147/19.

§ 80 V-VwGO-Antrag im Zusammenhang einer Fahrtenbuchauflage gegen eine große Autovermietung. Examensklausurgeeigneter Fall aufgrund der angeschnittenen allgemeinen polizeirechtlichen Fragen und sowie der zum Sofortvollzugsinteresse.

Die Autovermietung ist Halterin (und damit Adressatin der Verpflichtung nach § 31a I 1 StVZO), obgleich über sie nur die Reservierung der Mietwagen läuft, das eigentliche Vermietungsgeschäft aber durch Handelsvertreter (Mietstationen) erfolgt. Sie behalte nämlich –so das OVG- eine mittelbare tatsächliche Verfügungsgewalt.

Keine Ungeeignetheit, weil die Mieter der Fahrzeuge ständig wechselten und auf diese nicht erzieherisch eingewirkt werden könne. Die Fahrtenbuchauflage dienten nämlich in erster Linie der Gefahrenprävention, nach künftigen Verkehrsverstößen die Fahrer rasch festzustellen.

Die Auferlegung einer Fahrtenbuchauflage zwinge nicht zu einem Verstoß gegen die DSGVO, weil die Datenerhebung im öffentlichen Interesse sei und damit rechtmäßig nach Art. 6 I lit. e DSGVO.

Erfolg hatte der Antrag (bereits vor dem VG), soweit auch aufgegeben wurde, das Fahrtenbuch an drei genau bezeichneten Wochen in Hamburg bei der Behörde vorzulegen. Dies sei unverhältnismäßig, weil das Spontanvermietungsgeschäft zu sehr beeinträchtigt würde und ein Vorlage auch bei ortsnahen Ordnungsämtern einfacher wäre.

OVG Münster, B. v. 20.11.2020 -11 B 1459/20- NJW 2020, 3797

§ 80 V-VwGO Antrag eines Mietfahrradverleihers auf Wiederherstellung/Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen eine Ordnungsverfügung 1. die komplette Leihfahrradflotte aus dem öffentlichen Straßenraum zu entfernen und 2. die weitere, widerrechtliche Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums zu unterlassen“ sowie jeweils Zwangsgeldandrohungen.

Diese Anträge haben (anders als vor dem VG) keinen Erfolg:

Der zu Grunde liegende Bescheid sei wohl rechtmäßig:

Rechtsgrundlage für den VA zu 1.) und den zu 2) ist jeweils § 22 S. 1 NRWStrG („

Wird eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt oder kommt der Erlaubnisnehmer seinen Verpflichtungen nicht nach, so kann die für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung oder zur Erfüllung der Auflagen anordnen.“)

Das Abstellen (zum Vermieten) ist nach Auffassung des OVG eine Sondernutzung. Es gelten die gleichen Abgrenzungskriterien zum Gemeingebrauch wie für das Parken/Aufstellen von KfZ. Da die Leihfahrräder primär zum Abschließen von Mietverträgen auf den Gehwegen stehen, überwiege nicht das bloße Abstellen zum Zwecke späterer Wiederinbetriebnahme, sondern die gewerbliche Geschäftsanbahnung, wie als ob dort noch ein realer Mitarbeiter die Geschäfte betreiben würde. Keine Ermessensfehler: Der Fomalverstoß, keine Sondernutzungserlaubnis eingeholt zu haben, reiche. § 18 II 2 NRWStrG („Die Sondernutzung bedarf der Erlaubnis der Straßenbaubehörde.“) enthalte ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.

Die Anordnung Nr.2 sei bestimmt genug.

Es überwiege das öffentliche Interesse auch für die Zeit bis zur Bestandskraft, damit die Verfügungen nicht entwertet werden und aus spezialpräventiven Gründen.

OVG Lüneburg B. v. 9.11.2020 -2 ME 426/20-, NJW 2021, 1111;

VG Osnabrück 09.10.2020, 6 B 73/20,

Antrag auf Erlass einer e. A., den AStA der Universität O. und den Finanzreferenten des AStA im Wege der einstweiligen Anordnung, angeblich wahrheitswidrig Behauptungen zu verbieten, u. a. zu behaupten, der ASt. sei „jemand, der offensichtlich antisemitisches, rechtes und verschwörungsideologisches Gedankengut verbreitet oder zumindest akzeptiert“.

Der Antrag bleibt erfolglos: Fall nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Sicherungsanordnung), weil einstweilig (behauptete) ehrverletzende Äußerungen unterbunden werden sollen. Allerdings liege keine rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des ASt. vor. Die Antragsgegner hätten weder unwahre Tatsachen behauptet, noch Werturteile getätigt, die sich als unzulässige Formalbeleidigung oder Schmähkritik darstellen. Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) sei auf der Grundlage von § 20 I 4 bis 6 NHG befugt, sich in der Öffentlichkeit kritisch mit als verschwörungstheoretisch bewerteten Auffassungen eines Hochschulbeschäftigten – hier zur Corona-Pandemie – auseinanderzusetzen; das gilt jedenfalls dann, wenn sich der Hochschulbeschäftigte unter Bezugnahme auf seine Tätigkeit an der Hochschule selbst öffentlich geäußert habe (so der Obersatz)

(§ 20 I Niedersächsisches Hochschulgesetz „Studierendenschaft“ „Die Studierenden wirken an der Selbstverwaltung der Hochschule, insbesondere [….]. Sie bilden die Studierendenschaft. Die Studierendenschaft ist eine rechtsfähige Teilkörperschaft der Hochschule mit dem Recht der Selbstverwaltung. Sie hat insbesondere die hochschulpolitischen, sozialen und kulturellen Belange der Studierenden in Hochschule und Gesellschaft wahrzunehmen. Sie hat die Aufgabe, die politische Bildung der Studierenden und die Verwirklichung der Aufgaben der Hochschule zu fördern. In diesem Sinne nimmt sie für ihre Mitglieder ein politisches Mandat wahr.“)

Denn die amtliche Äußerung des AStA (Beitrag auf der Homepage) halte sich im Kompetenzbereich und wahre das Sachlichkeitsgebot.

Ansprüche gegen den Antragsgegner zu 2) persönlich von vornherein wohl allenfalls als datenschutzrechtlich Verantwortlicher nach Art. 4 Ziff. 7 DSGVO denkbar.

VG Berlin, B. v. 21.09.2020 -4 L 350/20- LKV 2020,476:

§ 80 V-VwGO-Antrag der Gewerkschaft Verdi gegen eine Allgemeinverfügung der zuständigen Senatsverwaltung nach § 6 I 1 BerlLadÖffG vom 26.08.2020, veröffentlicht im Amtsblatt, die Sonntage 4.10 zu den Festivitäten zum Tag der Deutschen Einheit und zum Festival „Berlin leuchtet“ und 8.11. zum Abschiedsfest für den Flughafen Tegel, und zum „JazzFest Berlin“ sowie zur „Berlin Science Week“. Die Genehmigung zum Offenhalten der Verkaufsstellen an dem jeweiligen Termin gilt unter –neben dem Vorrang von Coronavirus bedingten Untersagungen- der Bedingung, dass „die Veranstaltung wie geplant und im analogen Veranstaltungsformat an diesem Termin stattfindet“. Eine Begründung lässt sich der Allgemeinverfügung nicht entnehmen.

§ 6 Abs. 1 Berliner Ladenöffnungsgesetz (BerlLadÖffG) Stand 11.2020

Die für die Ladenöffnungszeiten zuständige Senatsverwaltung legt im öffentlichen Interesse ausnahmsweise die Öffnung von Verkaufsstellen an jährlich acht, nicht unmittelbar aufeinanderfolgenden Sonn- oder Feiertagen in der Zeit von 13.00 bis 20.00 Uhr durch Allgemeinverfügung fest. Bei Vorliegen eines herausragend gewichtigen öffentlichen Interesses können andere Öffnungszeiten festgesetzt und die Öffnung an unmittelbar aufeinanderfolgenden Sonn- und Feiertagen zugelassen werden. Die Allgemeinverfügung soll bis spätestens zum Ende des zweiten Quartals beziehungsweise zum Ende des vierten Vorjahresquartals für das folgende Halbjahr verkündet werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für den 1. Januar, (…) und die Feiertage im Dezember.

Der Antrag hat Erfolg:

§ 80 V-VwGO ist statthaft. Ein denkbarer § 123 I VwGO-Antrag, feststellen zu lassen, dass die aufgestellte Bedingung nicht eintreten kann, ist nicht effektiver.

Die Antragsbefugnis nach § 42 II VwGO ist gegeben: Die gesetzliche Ausgestaltung des Sonntagsschutzes dient auch dem Schutz des Interesses von Vereinigungen und Gewerkschaften am Erhalt günstiger Rahmenbedingungen für gemeinschaftliches Tun und ist in diesem Sinne drittschützend (BVerwG, Urteil vom 11. November 2015 – 8 CN 2.14 – BVerwGE 153, 183 Rdnr. 15).

Die Allgemeinverfügung ist nach Auffassung des VG voraussichtlich rechtswidrig:

Formelle Mängel:

Es fehlt eine Begründung. § 39 II Nr. 5 VwVfG müsse verfassungskonform restriktiv angewendet werden. Bei schriftlichen Allgemeinverfügungen bedürfe es nur dann keiner Begründung, wenn dies nicht geht bzw. unzumutbar sei. Gedacht sei die Ausnahme vom Begründungsverbot für aus sich heraus verständliche Allgemeinverfügungen. Eine Heilung könne im gerichtlichen Verfahren jedenfalls nicht mit Begründungsargumenten erfolgen, die für den Bescheid (ausweislich eines Aktenvermerks) verworfen worden waren.

Bestimmtheitserfordernis: Die Bedingung „wie geplant und im analogen Veranstaltungsformat an diesem Termin“ zu unklar: Unklar sei jedenfalls, ob das Jazzfest und die Science Week noch Präsenzveranstaltungen seien, weil diese von vornherein jedenfalls überwiegend digital durchgeführt werden sollen.

Möglicherweise zudem die Sollvorschrift des § 6 I 3 BerLadÖffG verletzt.

Materielle Mängel laut VG:

Das Öffentliche Interesse als unbestimmter Rechtsbegriff muss so ausgelegt werde, dass die Wertung des Art. 139 WRV genügend beachtet wird. Danach ist ein öffentliches Interesse solchen Gewichts zu verlangen, das die Ausnahmen von der Arbeitsruhe rechtfertigt. Dazu genügen das alleinige Umsatz- und Erwerbsinteresse auf Seiten der Verkaufsstelleninhaber und das alltägliche „Shopping-Interesse“ auf der Kundenseite nicht (BVerfG, Urteil vom 01. Dezember 2009 – 1 BvR 2857/07 –, BVerfGE 125, 39-103, Rdnr. 181). Nur „große Veranstaltungen“, die wegen ihrer Bedeutung für die ganze Stadt eine Geschäftsöffnung erforderlich machen, sind ausreichend, die (BVerfG., a. a. O. Rdnr. 182). Selbst wenn die Veranstaltungen stattfinden könnten, seien solch hohen Besucherzahlen sicher nicht zu erwarten.

VG Leipzig, Urt. v. 11.09.2019 -1 K 1642/18-

OVG Bautzen, Urt. vom 16.09.2020 – 5 A 35/20

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Löschung von 14 seine Kommentare auf der vom beklagten MDR betriebenen Facebookseite rechtswidrig war. Der MDR veröffentlicht dort Beiträge, die angemeldete Facebook-Nutzer kommentieren können. Für die Kommunikation auf seiner Facebook-Seite verweist er auf die auf seiner Homepage veröffentlichte sog. Netiquette mit folgenden „Regeln für das Erstellen eines Kommentars“:

„Veröffentlicht werden nur Nutzerbeiträge, die auf den jeweiligen Artikel und sein Thema seriös und sachbezogen eingehen. Nicht erwünscht sind:

– Rechtswidrige, ehrverletzende und beleidigende Aussagen,

– Entwürdigungen, Verunglimpfungen, Bedrohungen und Aufforderungen zu Gewalt in jeglicher Form,

– nicht nachprüfbare und unwahre Tatsachenbehauptungen sowie Zitate ohne die Angabe einer Quelle bzw. des Urhebers,

– Wahl- und Parteienwerbung aller Art sowie Aufruf zu Demonstrationen und Kundgebungen jeglicher politischer Richtungen,

– fremdsprachige Beiträge,

– Urheberrechtsverletzungen Dritter (….),

– Inhalte, die nichts mit dem MDR und seinen Programmen zu tun haben und Inhalte, die nicht themenbezogen sind,

– kommerzielle Inhalte wie(….).

Konstruktive Kritik ist ausdrücklich erwünscht! Die Redaktion behält sich das Recht vor, Kommentare zu löschen. Eine Diskussion über gelöschte Kommentare findet nicht statt. Bei mehrfachen Verstößen gegen die Netiquette kann der Nutzer zeitweise oder ganz von der Nutzung des Angebots ausgeschlossen werden (Sperrung).“

Der Kläger ist angemeldeter Nutzer der Facebook-Seite des Beklagten und gab insgesamt 14 Kommentare zu Beiträgen des Beklagten ab, die in der Folge von Mitarbeitern des Beklagten gelöscht wurden. U. a. verfasste er zu dem Beitrag „Fast jeder zweite Rentner erhält unter 800,00 € Rente“, der die Höhe der Altersrente im Jahr 2016 zum Thema hatte, den Kommentar: „Niedrige Renten aber die Diäten für die Politik-Darsteller werden automatisch erhöht!! Da sieht man genau wo das Land steht.“ Zu dem Beitrag „Bundesweite Razzia gegen Neonazis-“ in dem über Festnahmen berichtet wird, schrieb er „Ob man dabei den Attentäter von Straßburg finden wird??“ und „Sie betreiben wieder Zensur??“. U. a. bringt der Kläger vor, die Netiquette verstoße gegen Art. 3 I GG und Art. 18 I AEUV.

Die Klage hatte nur hinsichtlich des hier zuerst zitierten Kommentars Erfolg:

Zulässigkeit: § 40 VwGO erfüllt: Die Rechtsnatur der Streitigkeit, hier nach der des zugrundeliegenden Eingriffs, ist öffentlich-rechtlich, da der Beklagte sein „virtuelles Hausrecht zur Sicherung des Nutzungszwecks“ seiner virtuellen öffentlichen Einrichtung ausgeübt habe. § 43 II VwGO nicht einschlägig: Die Löschung ist ein Realakt ohne konkludenten Duldungs-Verwaltungsakt. Die Klagebefugnis § 42 II VwGO entspr. folgt aus dem möglichen Eingriff in Art. 5 I 1 GG, ferner aus einer etwaigen Verletzung des Teilhaberechts an dem Telemedienangebot des Beklagten i. S. d. § 11d Abs. 3 Satz 1 RStV i. V. m. Art. 3 I GG.

Das besonderes Feststellungsinteresse nach § 43 I VwGO folgt u. a. aus dem Interesse des Klägers an Rehabilitierung und der Wiederholungsgefahr.

Begründetheit:

Die Kommentare des Klägers unterfallen dem Recht auf Meinungsäußerung und Meinungsverbreitung nach Art. 5 I 1 GG. Im Streit steht nicht nur ein Teilhabeanspruch, weil dieser gerade allen angemeldeten Benutzern eingeräumt ist. Da die Meinungsverbreitung durch das Löschen eingeschränkt wird, liegt nach OVG ein Eingriff vor.

Dieser ist aber (für 13 der 14 Löschungen) gerechtfertigt.

Der Rundfunkstaatsvertrag und die diesen ausfüllende Netiquette sind allgemeine Gesetze. Denn bei der Facebook-Seite des MDR als öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt handelt es sich um ein Telemedienangebot im Sinne von § 11d RStV (in der Fassung des 21. Rundfunkänderungsstaatsvertrags). Nach § 11d I RStV dürfen nur Telemedien angeboten werden, die journalistisch-redaktionell veranlasst und journalistisch-redaktionell gestaltet sind. Foren und Chats ohne Sendungsbezug und redaktionelle Begleitung sind nicht zulässig. Deshalb und aufgrund der die Bestimmungen konkretisierenden sog. Netiquette sind nicht themenbezogene Kommentare unzulässig. Die Anstalt darf den Themenbezug eng auslegen, um ein Umlenkender Diskussion zu verhindern. Hier fehlte der Themenbezug, auch bei dem Kommentar zum Beitrag Razzia gegen Neonazis, weil der Begriff Zugvogel nur als Metapher verwendet wird.

Bei der Kommentierung „Niedrige Renten aber die Diäten für die Politik-Darsteller werden automatisch erhöht!! Da sieht man genau wo das Land steht.“ besteht allerdings ein Themenbezug und es handelt es sich weder um eine strafbare Äußerung, geschweige denn um Schmähkritik.

VG Hannover, Urteil vom 1.9.2020 – 7 A 5261/18NJW 2021, 712

Anfechtungsklage gegen eine (mündliche erteilte und dann schriftlich wiederholte) Untersagungsverfügung, mit der einem Unternehmen, das die die Parkraumüberwachung privater Grundstücke betreibt, von dort abgeschleppte Fahrzeuge in den öffentlichen Straßenraum umzusetzen (Ermächtigungsgrundlage: § 22 S. 1 NdsStrG dar: „Wird eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt oder kommt der Erlaubnisnehmer seinen Verpflichtungen nicht nach, so kann die für die Erteilung der Erlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung oder zur Erfüllung der Auflagen anordnen.“).

Das VG hält die Klage für zulässig (gerichtet gegen die mündliche Untersagung auch § 37 I 1 VwVfG , weil es sich bei dem Schreiben am nächsten Tag um eine wiederholende Verfügung ohne eigenen Regelungsgehalt gehandelt habe; m. E. liegt eine Bestätigung nach § 37 I 2 VwVfG näher) und begründet: Im Gegensatz zur Auffassung der Behörde, welche in dem Abladen auf öffentlichem Straßenland eine straßenrechtliche Sondernutzung gesehen hat, weil die Straße primär gewerbliche genutzt werde, handele es sich um einen Gemeingebrauch. Es handele sich um ein erlaubtes Parken im Sinne der StVO, die umgesetzten KfZ gehören zum ruhenden Verkehr. Parken im Sinne der StVO setze kein selbständiges Fahren zum Parkplatz voraus. Das Abtransportieren zur Beendigung einer Besitzstörung bedingen auch keinen Verstoß gegen die StVO.

BVerwG, B. vom 31.7.2020 – 3 B 4/20NJW 2020, 3401 bestätigt

OVG Lüneburg, B. vom 3.7.2019 – 12 MC 93/19 –NJW 2019, 2951 „Section control“

In einem vorangegangenen Verfahren hatte sich der jetzige Ag. in seiner Eigenschaft gegen die Verkehrsüberwachungsanlage „Section Control“ („Streckenradar, bei der Ein- und Ausfahrten überwacht werden, um Geschwindigkeitsüberschreitungen zu ahnden. Dazu müssen die KfZ erfasst werden, die Daten ohne Überschreitung automatisch wieder gelöscht werden. Das VG Hannover hat dies mit rechtskräftigem Beschl. v. 12.3.2019 –7 B 850/19 nach § 123 VwGO vorläufig untersagt, primär, weil es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage mangele.

Am 24.05.2019 ist § 32 in Kraft getreten (Datenerhebung durch den Einsatz technischer Mittel bei öffentlichen Veranstaltungen und im öffentlichen Raum) VII NdsPoG:“ Die Verwaltungsbehörden und die Polizei dürfen im öffentlichen Verkehrsraum zur Verhütung der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von Kraftfahrzeugen nach Maßgabe des Satzes 2 Bildaufzeichnungen offen anfertigen und damit auf einer festgelegten Wegstrecke die Durchschnittsgeschwindigkeit eines Kraftfahrzeugs ermitteln (Abschnittskontrolle). 2 Die Bildaufzeichnungen dürfen nur das Kraftfahrzeugkennzeichen, das Kraftfahrzeug und seine Fahrtrichtung sowie Zeit und Ort erfassen; es ist technisch sicherzustellen, dass Insassen nicht zu sehen sind oder sichtbar gemacht werden können. 3 Bei Kraftfahrzeugen, bei denen nach Feststellung der Durchschnittsgeschwindigkeit keine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vorliegt, sind die nach Satz 2 erhobenen Daten sofort automatisch zu löschen. 4 Die Abschnittskontrolle ist kenntlich zu machen.“

Die Behörde stellt jetzt einen Antrag auf Änderung der eA nach § 80 VII 1 VwGO analog.

Geht dies, obwohl § 123 III VwGO gerade nicht auch auf § 927 ZPO (Aufhebung [des Arrests] wegen veränderter Umstände) verweist?

OVG: ja nach RS, auch arg. ex. § 53 II Nr. 1 GKG (Abänderung oder Aufhebung einer eA nach § 123 VwGO). „Veränderte Umstände“: ja, A.anspruch weggefallen. Neue Norm nicht wie erforderlich für Verwerfung im Eilverfahren evident verfassungswidrig. Normkompetenz Land problemlos für Gefahrenabwehr, für Regelung Straftaten/OWi-Verfolgungsvorsorge: Bund hat von konkurrierender Kompetenz hinsichtlich Vorsorgemaßnahmen durch offene Überwachung keine abschließende Regelung getroffen. Ähnlich bezgl. des Straßenverkehrsrechts. Keine repressive Maßnahme bis zum zweiten Foto. Als Ermächtigungsgrundlage für Eingriff in Art. 1 I, 2 I GG oK (nicht gravierender als sonst anlasslose Kontrollen, Verhältnismäßigkeit gegeben).

OVG Greifswald, B. v. 17.07.2020 -2 M 891/19 OVG-, NordÖR 2020, 518

§ 80 V-VwGO-Antrag auf W. d. a. W. des Widerspruches eines im Ruhestand befindlichen Staatsanwaltes, dem für drei Jahren ab dem Eintritt in den Ruhestand, eine Tätigkeit als Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Straf-, Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenrechts in Verfahren, die bei der Staatsanwaltschaft Sch. anhängig sind oder anhängig werden könnten, untersagt wird.

Rubrum: In M.-V. ist nach § 14 Gerichtsstrukturgesetz-Ausführungsgesetz die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegen die Behörde zu richten, so dass hier der Antragsgegner der Leitende Oberstaatsanwalt in S. war.

Der Antrag hat vor dem OVG teilweise Erfolg (anders noch VG) Eine Untersagungsverfügung, die eine Tätigkeit als Anwalt auf dem Gebiet des (…) untersagt, die bei der Staatsanwaltschaft, bei der er bis zum Eintritt in den Ruhestand tätig war, „anhängig werden könnten“, ist nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 37 VwVfG, sondern zu unkonkret.

Auch soweit generell eine „Of-Counsel-Tätigkeit“ als Rechtsanwalt außerhalb der Öffentlichkeit, insbesondere innerhalb anwaltlicher Kanzleiräume untersagt wird, ist die nach OVG rechtswidrig (vgl. § 41 S. 2 BeamtStG als Rechtsgrundlage für die Untersagung, Bezugnahme auf BVerwG, U. v. 04.05.2017 – 2 C 45/16).

Tenor:

Der weitergehende Antrag auf W. d. a.W. des Widerspruchs gegen die Untersagungsverfügung vom 05.09.2019 in Verfahren, die aufgrund der Abgabe an andere Behörden oder Gerichte nicht mehr bei der Staatsanwaltschaft Sch. anhängig sind, ist unbegründet. Nach OVG bezieht sich die Verfügung nach ihrem objektiven Erklärungswert nicht auf solche Verfahren, die bereits beendet worden sind oder aber aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr bei der Staatsanwaltschaft Sch. anhängig sind.

Der zusätzliche Antrag (nach § 123 VwGO), vorläufig festzustellen, dass die Untersagungsverfügung die Befugnisse der Tätigkeit des Antragstellers als Steuerberater gemäß §§ 2, 3, 33 StBerG und § 392 AO nicht umfasse, hat nach OVG (im Gegensatz zum VG) keinen Erfolg. Es fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Untersagungsverfügung wird dem Antragsteller bereits nach dem Wortlaut ein Tätigwerden als Steuerberater nicht verbiete, sondern die als Rechtsanwalt.

Eilantrag auf Veräußerungsverbot -VG Potsdam, B. v. 14.05.2021

Eilantrag auf ein vorläufiger Veräußerungsverbot – VG Potsdam, B. v. 14.05.2021 -3 L 327/21-, LKV 2021, 335

Teilweise erfolgreicher Eilantrag, die Vollziehung des Bescheids über die Veräußerung von 26 beschlagnahmte Hunde auszusetzen.

Die Veterinärbehörde erlässt aufgrund tierschutzwidriger Zustände einen Bescheid über die Fortnahme von 22 Hunden und kündigt deren Veräußerung an.

Das VG legt das Begehen dahingehend aus, dass begehrt werde, dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO vorläufig zu untersagen, die in seinem Bescheid bezeichneten 22 Hunde zu veräußern (Die Differenz 26 Hunde zu 22 Hunde wird nicht erläutert).

Es bejaht einen Anordnungsgrund, weil nach Aktenlage die Behörde geäußert habe, die Tiere nur noch eine Woche mit der Veräußerung zu warten und diese weiter unterzubringen, weil beständig Kosten aufliefen.

Ein Anordnungsanspruch bestehe, weil die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Veräußerung nach § 16a I 2 Nr. 2 TierSchG derzeit (noch) nicht vorlägen. Die Norm setze, weil sie nur zum Erlass eines VA und nicht selbst zum Handeln im Wege unmittelbarer Ausführung ermächtige (Bezugnahme auf BVerwG, U. v. 12.01.2012 -7 C 5/11-), eine Veräußerungsanordnung voraus. Die Ankündigung im Bescheid sei kein solcher VA. Eine Veräußerung im Wege des Sofortvollzuges nach § 27 I 2 VwVGBBg scheide mangels gegenwärtiger Gefahr aus: Die Behörde habe selbst zunächst eine Rückgabe der Tiere in Aussicht gestellt und hätte die Veräußerungsanordnung samt Sofortvollzugsanordnung bereits erlassen können.

Das VG hat konsequenterweise die Untersagung im Tenor eingeschränkt: Die Anordnung endet, sobald der Antragsgegner dem Antragsteller eine die 22 Hunde betreffende Veräußerungsanordnung bekanntgegeben hat und diese vollziehbar ist.

§ 16a I TierSchG: „Die zuständige Behörde trifft die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann insbesondere (…) 2. ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist; ist eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich oder ist nach Fristsetzung durch die zuständige Behörde eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung durch den Halter nicht sicherzustellen, kann die Behörde das Tier veräußern; die Behörde kann das Tier auf Kosten des Halters unter Vermeidung von Schmerzen töten lassen, wenn die Veräußerung des Tieres aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist oder das Tier nach dem Urteil des beamteten Tierarztes nur unter nicht behebbaren erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden weiterleben kann, (…).

§ 80 V-VwGO-Antrag im Zusammenhang einer Fahrtenbuchauflage gegen eine große Autovermietung

OVG Hamburg, B. v. 1. Dezember 2020 -4 Bs 84/20NordÖR 2021, 135

VG Hamburg, B. v. 28.04.2020 -15 E 3147/19.

Examensklausurgeeigneter Fall aufgrund der angeschnittenen allgemeinen polizeirechtlichen Fragen und sowie zum Sofortvollzugsinteresse.

Die Autovermietung ist Halterin (und damit Adressatin der Verpflichtung nach § 31a I 1 StVZO), obgleich über sie nur die Reservierung der Mietwagen läuft, das eigentliche Vermietungsgeschäft aber durch Handelsvertreter (Mietstationen) erfolgt. Sie behalte nämlich –so das OVG- eine mittelbare tatsächliche Verfügungsgewalt.

Keine Ungeeignetheit, weil die Mieter der Fahrzeuge ständig wechselten und auf diese nicht erzieherisch eingewirkt werden könne. Die Fahrtenbuchauflage dienten nämlich in erster Linie der Gefahrenprävention, nach künftigen Verkehrsverstößen die Fahrer rasch festzustellen.

Die Auferlegung einer Fahrtenbuchauflage zwinge nicht zu einem Verstoß gegen die DSGVO, weil die Datenerhebung im öffentlichen Interesse sei und damit rechtmäßig nach Art. 6 I lit. e DSGVO.

Erfolg hatte der Antrag (bereits vor dem VG), soweit auch aufgegeben wurde, das Fahrtenbuch an drei genau bezeichneten Wochen in Hamburg bei der Behörde vorzulegen. Dies sei unverhältnismäßig, weil das Spontanvermietungsgeschäft zu sehr beeinträchtigt würde und ein Vorlage auch bei ortsnahen Ordnungsämtern einfacher wäre.

§ 80 V-VwGO; Straßenrecht: Abgrenzung Gemeingebrauch, Sondernutzung: OVG Münster, B. v. 20. November 2020

 

OVG Münster, B. v. 20.11.2020 -11 B 1459/20- NJW 2020, 3797

§ 80 V-VwGO Antrag eines Mietfahrradverleihers auf Wiederherstellung/Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen eine Ordnungsverfügung 1. die komplette Leihfahrradflotte aus dem öffentlichen Straßenraum zu entfernen und 2. die weitere, widerrechtliche Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums zu unterlassen“ sowie jeweils Zwangsgeldandrohungen.

Diese Anträge haben (anders als vor dem VG) keinen Erfolg:

Der zu Grunde liegende Bescheid sei wohl rechtmäßig:

Rechtsgrundlage für den VA zu 1.) und den zu 2) ist jeweils § 22 S. 1 NRWStrG („

Wird eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt oder kommt der Erlaubnisnehmer seinen Verpflichtungen nicht nach, so kann die für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung oder zur Erfüllung der Auflagen anordnen.“)

Das Abstellen (zum Vermieten) ist nach Auffassung des OVG eine Sondernutzung. Es gelten die gleichen Abgrenzungskriterien zum Gemeingebrauch wie für das Parken/Aufstellen von KfZ. Da die Leihfahrräder primär zum Abschließen von Mietverträgen auf den Gehwegen stehen, überwiege nicht das bloße Abstellen zum Zwecke späterer Wiederinbetriebnahme, sondern die gewerbliche Geschäftsanbahnung, wie als ob dort noch ein realer Mitarbeiter die Geschäfte betreiben würde. Keine Ermessensfehler: Der Fomalverstoß, keine Sondernutzungserlaubnis eingeholt zu haben, reiche. § 18 II 2 NRWStrG („Die Sondernutzung bedarf der Erlaubnis der Straßenbaubehörde.“) enthalte ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.

Die Anordnung Nr.2 sei bestimmt genug.

Es überwiege das öffentliche Interesse auch für die Zeit bis zur Bestandskraft, damit die Verfügungen nicht entwertet werden und aus spezialpräventiven Gründen.

Widerspruchsbescheids-Checkliste

Merkposten für die Abfassung

  • Absender
  • Adressat
  • Zustellungsart
  • (unter Umständen geboten: Betreff)
  • Tenor
  • Begründung

1. Absender:

Obacht: Die Widerspruchsstelle genau bezeichnen (und nicht mit der Ausgangsbehörde verwechseln!).

2. Adressat:

Ob an den Bevollmächtigten zuzustellen ist oder an den Widerspruchsführer richtet sich regelmäßig nach §§ 73 III VwGO, 7 I 1 oder 2 VwZG, gelegentlich auch nach § 6 VwZG.

3. Zustellungsart

bei Zustellungen an Anwälte regelmäßig „gegen EB“ (vgl. § 5 IV VwZG)

4. Tenor

  • Sachtenor (Der Widerspruch wird zurückgewiesen, der Bescheid (…) wird aufgehoben)

(Widerspruchsbehörde muss aber nicht selbst entscheiden, sondern kann die Ausgangsbehörde anweisen (BVerwG, U. v. 13.12.2007 -4 C 9.07-DVBl 2008, 386): § 73 I 1 VwGO regelt nicht die Form der Stattgabe. VwGO regelt nämlich aus Kompetenzgründen nicht alles. In der Klausur ist es aber nicht ratsam, sich vor einer eigenen Entscheidung zu „drücken“)

  • Kostenverteilung nach § 80 I VwVfG.

Es geht um die Kosten des Widerspruchsführers und die der Ausgangsbehörde,

§ 80 VwVfG ist nach wohl hM eine bewusst unvollständige Regelung, deshalb können die §§ 154 ff. VwGO nicht ergänzend, also nicht § 162 Abs. 3 VwGO oder § 80 Abs. 1 S. 1 analog) vgl. zum Ganzen K/R. § 80 Rdnr. 16ff mit Stichwort Waffengleichheit

Auch keine entsprechende Anwendung des § 80 I VwVfG für widerspruchsähnliche Verfahren, z. B. das Remonstrationsverfahren auf Visumserteilung, vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss. v. 5.5.2015 – OVG 3 M 37/15- NVwZ 2015, 1396

Landesrecht hat teilweise einen anderen Regelungsgehalt, z. B. Art.80 I 5 BayVwVfG: “Erledigt sich der Widerspruch auf andere Weise, so wird über die Kosten nach billigem Ermessen entschieden; der bisherige Sachstand ist zu berücksichtigen.“ So auch § 80 I 5 BW VwVfG

Auch Entscheidung über Hinzuziehung eines Bevollmächtigten, arg. Ex. § 80 III 2 VwVfG .

(Kostenerstattung für Widerspruchsführer in beamtenrechtlichen Streitigkeiten auch bei Unterliegen -wegen § 80 I 3 VwVfG -? Natürlich nicht:

BVerwG U. v. 15.11.2007 -2 C 29/06- NVwZ 2008, 324 (aA war aber der VGH München gewesen).

Siehe auch das Berliner Skript des Kammergerichts.