Kann eine Gemeinde gegen den ihren Ablehnungsbescheid aufhebenden Widerspruchsbescheid klagen?

Vorliegen einer Gefahr

VG Weimar, U. v. 03.05.2022 -7 K 1050/20 WE– NVwZ-RR 2022, 808:

Die später Beigeladenen B beantragten eine Fällgenehmigung für eine auf ihrem Grundstück in Erfurt wachsende Schwarznuss. Dies lehnte die Stadt Erfurt mit Bescheid vom 25.10.2018 ab, weil kein Fällgrund bestehe, also keiner der Ausnahmen nach § 6 ihrer Baumschutzsatzung (BaumSchG) vom Fällverbot des § 5 BaumSchG vorliege. Auf den Widerspruch eines der B hin hob der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.2020 die Ablehnung auf und verpflichtete die Stadt, die Fällgenehmigung zu erteilen, weil der Baum aufgrund einer nahen Gasleitung eine abstrakte Gefahr für Personen und Sachen von bedeutendem Wert sei. Die Klage der Stadt isoliert gegen den Widerspruchsbescheid hat Erfolg:

Sie sei als isolierte Anfechtungsklage i. S. d. § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaft. Die Aufhebung des Ausgangsbescheides und die Verpflichtung der Klägerin zur Erteilung der Fällgenehmigung stelle eine erstmalige Beschwer dar.

Grundsätzlich sei eine Kommune als Erstbehörde nicht klagebefugt, wenn die Widerspruchsbehörde diesen aufhebe, nämlich immer dann, wenn die Kommune eine staatliche Aufgabe wahrnehme. Anderes gelte nur bei der Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides als letzter Behördenentscheidung seien die Ausführung und der Vollzug der Baumschutzsatzungen sind Aufgaben im eigenen Wirkungskreis der Kommunen, § 14 Abs. 1 ThürNatG.

In der Sache liege der einzig in Betracht kommende Ausnahme-Fall des § 6 Abs. 1 Nr. 3 BaumSchS nicht vor. Danach kann eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden, wenn von dem Baum eine Gefahr für Personen oder Sachen von bedeutendem Wert ausgeht und die Gefahr nicht auf andere Weise mit zumutbaren Aufwand beseitigt werden kann. Dafür sei nämlich eine „echte“ Gefahr nötig, das heißt konkrete Anhaltspunkte für einen Schaden und nicht nur eine abstrakte (dies wird ausgeführt).

Unzulässige Baunachbarklage gegen Gemeinde, VGH München, B. v. 06.12.2021

 

VGH München, B. v. 06.12.2021 -9 ZB 18.782NVwZ-RR 2022, 209

VG Würzburg, U. v. 22.02.2018 – W 5 K 16.794

Unzulässige Baunachbarklage gegen die Gemeinde

Die Kläger (K) wenden sich als gegen ein Bauvorhaben des Beigeladenen. Ihre Klage richtet sich aber nicht gegen den Freistaat als Rechtsträger der zuständigen Baubehörde (Landratsamt), sondern gegen die Gemeinde. Es gibt keine Baugenehmigung für das Bauvorhaben des Beigeladenen, dieser hat nur eine Bauvorlage im Genehmigungsfreistellungsverfahren für die Errichtung einer Halle eingereicht. Mit Schreiben vom 4. Juli teilt die Beklagte (B) dem Beigeladenen unter Bezugnahme auf Art. 58 BayBO mit, dass für sein Bauvorhaben kein Genehmigungsverfahren durchgeführt werden solle. Sie mache von ihrem Prüfungsrecht keinen Gebrauch und beantrage keine Untersagung nach § 15 I 2 BauGB. Sie übersendet das Schreiben auch an die K. Das Begleitschreiben bezeichnete es als Bescheid und enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung. Das Landratsamt Würzburg teilt den K mit Schreiben vom 29.Juli mit, dass das Genehmigungsfreistellungsverfahren zurzeit aus baurechtlicher Sicht nicht ausführbar sei und somit für das Baugrundstück aktuell kein Baurecht bestehe. Am 2. August erheben die Kläger Klage und beantragen, 1.) den Bescheid der B aufzuheben und 2.) die B zu verurteilen, dem Beigeladenen die Baugenehmigung für einen Neubau einer Halle (…) zu versagen. Die Klage sei aufgrund der RMB erforderlich.

VG und VGH halten beide Klageanträge für unzulässig.

Der erste Antrag sei als Anfechtungsklage nicht statthaft, es fehle an einem Verwaltungsakt. Die Erklärung der Gemeinde nach (dem jetzigen) Art. 58 II Nr. 5 BayBO sei kein VA, sondern eine schlichte Verfahrenshandlung (Realakt). Erkläre die Gemeinde, ein Baugenehmigungsverfahren nicht zu verlangen, liege darin nur eines der Tatbestandsmerkmale für eine Genehmigungsfreistellung. Der Bauherr könne nur zu einem (noch) früheren Zeitpunkt mit seinem Bauvorhaben beginnen (vgl. Art. 58 III 5 und 5 BayBO). Es werde nichts bindend festgestellt. Aus der Bezeichnung des Schreibens als Bescheid und der Rechtsbehelfsbelehrung folge nichts Anderes. Daraus könne aus Empfängersicht allenfalls abgeleitet werden, dass der Rechtsweg eröffnet sei. Eine Anfechtung der Freistellungserklärung sei aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes nicht erforderlich, weil die K auch ohne die Möglichkeit, die Mitteilung der Gemeinde vom 4. Juli 2016 anfechten zu können, gegenüber dem Vorhaben des Beigeladenen nicht rechtlos gestellt seien. Sie könnten bei der Bauaufsichtsbehörde einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten stellen und dann später dann soweit nötig Rechtsweg beschreiten.

Eine Erklärung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG , die nach der Rechtsprechung des BVerwG einen Verwaltungsakt darstelle, betreffe den anders gelagerten Fall, dass die zuständige Behörde feststelle, dass die geplante Änderung einer Anlage keiner förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Auch sei diese Norm gar nicht nachbarschützend.

Eine Umdeutung in ein Verpflichtungsbegehren auf bauaufsichtliches Einschreiten scheide aus, weil ein solches gegen den Träger der Bauaufsichtsbehörde zu richten wäre.

Dem 2. Klageantrag fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil die K keine Verbesserung ihrer Rechtslage erreichen könnten. Zulässigkeit unterstellt, würde sich die Klage auch gegen den falschen Beklagten richten.

Die K müssten die Kosten voll tragen. Von § 155 Abs. 4 VwGO sei nach Ausübung gerichtlichen Ermessens kein Gebrauch zu machen, obwohl eine vorprozessual erteilte falsche Rechtsbehelfsbelehrung ein Beteiligtenverschulden im Sinne dieser Vorschrift sein könne. Die K hätten allerdings das KIageverfahren auch nach entsprechenden gerichtlichen Hinweisen fortgesetzt.

Auslegung einer Bescheidformulierung als bestimmend und nicht als bloßer Rechtshinweis: VG Berlin, B. v. 21.10.2021

 

VG Berlin, B. v. 21.10.2021 – VG 14 L 453/21

§ 80 V-VwGO Antrag gegen eine Untersagungsverfügung des Ordnungsamtes, Lebensmittel in den Verkehr zu bringen.

Auslegung einer Bescheidformulierung als bestimmend und nicht als bloßer Rechtshinweis; Anhörungsmangel, Bestimmtheitsgebot; Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung.

Der Antragsteller stellt in einem von der Straße aus allgemein zugänglichen Windfang Warentische zur Lebensmittelumverteilung bereit. Dorthin liefert primär ein lokaler Biomarkt aussortierte Lebensmitteln an. Deren Verteilung wird über WhatsApp- und telegram-Gruppen organisiert. Auch stellen dort weitere Personen Lebensmittel unkontrolliert und zur freien Mitnahme für jedermann hin. Das Bezirksamt untersagt nach Feststellung ungekühlter, verdorbener und unsauber aufbewahrter bzw. unverpackter Lebensmittel auf den Warentischen die weitere Lebensmittelumverteilung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung. Weiter formuliert es, dass die Wiederaufnahme des Inverkehrbringens nach Schaffung der hygienischen Voraussetzungen und nach vorheriger Zustimmung des Ordnungsamtes erfolge. Die hygienischen Voraussetzungen würden nicht eingehalten. Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit seinem Eilantrag und macht geltend, er sei kein „Lebensmittelunternehmer“ im Sinne der einschlägigen EU-VO und daher für die Lebensmittelumverteilung nicht verantwortlich.

Das VG hält den Antrag für zulässig. Doppelte Rechtshängigkeit bzw. entgegenstehende Rechtskraft bestehe nicht, weil der rechtskräftige vorangegangene Beschluss den dortigen als unzulässig abgewiesen hatte.

Es handele sich jetzt um einen § 80 V- VwGO Antrag, auch soweit es dieser Wiederaufnahme-Regelung betreffe. Darin sei ein Verwaltungsakt zu sehen (Auslegung: im Tenorteil enthalten, Formulierung von „Maßnahmen“, Schaffung eines Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt, welche so die EU-VO Nr. 852/2004 nicht vorsehe).

Die Verfügung ist nach Auffassung des VG formell rechtwidrig mangels vorangegangener Anhörung. Nur ausnahmsweise erscheine es angesichts der zeitlich nahen Heilungsmöglichkeit nach § 45 I Nr. 3 VwVfG noch vertretbar, nicht alleine deshalb die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen.

Die Untersagungsverfügung selbst sei o. K. Ermächtigungsgrundlage sei Art. 138 I b VO (EU) 2017/625. Auch der Antragsteller als altruistische Privatperson ein Unternehmer im Sinne dieser Norm, weil er eine mit dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausübe. Er verstoße fortwährend gegen Art. 6 I und II VO (EG) 852/2004 (Registrierungspflicht). Abzustellen sei insoweit auf den Zeitpunkt bis heute, weil es sich um einen Dauerverwaltungsakt handele. Auch verstoße er gegen Art. 4 II der Verordnung (Hygienevorschriften als solche), wie im Einzelnen dargestellt wird.

Auf der Rechtsfolgenseite liege ein intendiertes Ermessen hinsichtlich des Obs einer Maßnahme (Entschließungsermessen) vor. Das gewählte Mittel eines Verbots des Inverkehrbringens von Waren sei verhältnismäßig.

Es bestehe auch ein besonderes öffentliches Vollziehungsinteresse. Hinsichtlich der angenommenen weiteren Verfügung fehle es an hinreichender Bestimmtheit, § 37 I VwVfG. Zum einen sei unklar, ob neben den hygienischen Voraussetzungen wirklich konstitutiv eine Zustimmung des Amtes erforderlich sei solle. Aber auch der Begriff der „hygienischen Voraussetzungen“ sei nicht hinreichend bestimmt. Insoweit liege auch ein Begründungsmangel nach § 39 I VwVfG vor. Es werde nicht klar, weshalb die Behörde von einem im Recht nicht vorgesehenen Zustimmungserfordernisses ausgehe. Da dies gleichzeitig einen Ermessensausfall bedeute, könne dieser Mangel auch nicht geheilt werden.

Neueste Rechtsprechung

Sorry. Interner Bereich. Nähere Informationen hierzu gibt es im "Überblick(auch internes)" am Anfang.

Wiedereinsetzung (int.)

Sorry. Interner Bereich. Nähere Informationen hierzu gibt es im "Überblick(auch internes)" am Anfang.

Umdeutung einer denkmalrechtlichen Anordnung – OVG Lüneburg, B. v. 19.05.2021

Umdeutung einer denkmalrechtlichen Anordnung – OVG Lüneburg, B. v. 19.05.2021 -1 ME 55/21- NVwZ-RR 2021, 713

§ 80 V-VwGO-Antrag gegen eine denkmalrechtliche Anordnung gegenüber dem Eigentümer einer denkmalgeschützten ehemaligen Dorfschule, u. a., unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Zwangsgeldandrohung, (a) den Pilzbefall bzw. Hausschwamm fachmännisch begutachten zu lassen, um anschließend die Beseitigung vorzunehmen, sowie (b) im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht die Straße im westlichen Bereich vor eventuell herabfallenden Dach- und Wandelementen durch einen Bauzaun zu sichern.

Der Antrag hat (insoweit, in erster Instanz hat der Antragsteller andere Anordnungen mit Erfolg angegriffen) keinen Erfolg.

Nach dem Beschluss des OVG können Anordnungen wie die zu (a) zur Feststellung des bestehenden Zustands und des Instandsetzungsbedarfs eines Denkmals sowie der erforderlichen Maßnahmen auf § 23 I („Die Denkmalschutzbehörden treffen nach pflichtgemäßem Ermessen die Anordnungen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der §§ 6 bis 17, 25, 27 und 28 sicherzustellen.“) i. V. mit § 6 I 1 NDSchG („Kulturdenkmale sind instand zu halten, zu pflegen, vor Gefährdung zu schützen und, wenn nötig, instandzusetzen.“) gestützt werden, wenn der Behörde belastbare tatsächliche Anhaltspunkte für die Schädigung eines Denkmals vorliegen und der Eigentümer nicht von sich aus die notwendigen Maßnahmen ergreift. Das OVG verneint auch einen Ermessensausfall und hält die Anordnung für verhältnismäßig.

Die Anordnung zu (b) könne zwar nicht auf §§ 23 I, 6 I 1 NdsDSchG gestützt werden, weil sich diese Erhaltungspflicht nur auf Gefahren bezöge, die dem Denkmal selbst drohten. Einschlägig für Gefahren für die Umgebung des Denkmals sei das allgemeine Bauordnungsrecht, hier konkret § 79 I („Widersprechen bauliche Anlagen, (….) dem öffentlichen Baurecht oder ist dies zu besorgen, so kann die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen anordnen, die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlich sind. Sie kann namentlich 1. die Einstellung rechtswidriger und die Ausführung erforderlicher Arbeiten verlangen, (…).“) i. V. m. 16 II NdsBauO („Die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs darf durch bauliche Anlagen oder deren Nutzung nicht gefährdet werden.“)

Eine Umdeutung nach § 47 VwVfG sei möglich, angesichts der notwendigen Gefahrenabwehr gelte dies u. a. auch für die Ermessensausübung ungeachtet der unterschiedlichen Schutzwirkung der Normen.

Zustellungsfragen

Vgl. neben Kopp/Ramsauer zu § 41 VwVfG auch Kopp/Schenke § 56 Rdnr. 8

BVerwG NJW 2001, 458: Das Einwurfeinschreiben genügt nicht den Anforderungen an die förmliche Zustellung, kein Einschreiben i. S. d. § 2 VwZG, auch keine Zustellungsfiktion in § 4 VwZG

Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten § 3 II 1 VwZG i. V. m. § 180 ZPO:

Die Beweiskraft der PZU umfasst nur den tatsächlichen Einwurf in den Briefkasten (mit entsprechendem Namen versehen), nicht aber, dass der Empfänger dort zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch wohnt (OVG Magdeburg, B. v. 19.06.2018 – 3 M 227/18 – LKV 2019, 88 mit Bezugnahme auf VGH München, B. 12.12.2017 – 11 Cs 17.2098).

Ersatzzustellung nach § 180 ZPO in Briefkasten des Rechtsanwaltes auch außerhalb dessen Geschäftszeiten möglich, so BVerwG, B. v. 2.8.2007 -2 B 20/07- NJW 2007, 3222: Wortlaut eindeutig, Zweck der Vorschrift, Niederlegungen zu vermeiden und Zustellungsscheitern zu vermeiden, wenn das Geschäftslokal geschlossen ist).

Geschäftsräume = die dem Publikum zugänglichen Räume in denen eine geschäftliche Tätigkeit der juristischen Person ausgeübt wird (also dorthin, wo der Briefträger wie Publikum hinkommt), so OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 23. 12. 2011 − 1 N 2/10- NJW 2012, 951

Str.: Ist es zwingendes Zustellerfordernis (mit der Konsequenz, § 8 VwZG bei Mängeln anzuwenden), die Regelung des § 180 S. 3 ZPO einzuhalten, die den Zusteller bei der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten dazu verpflichtet, auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks einen Vermerk über das Datum der Zustellung anzubringen? Gehört diese Regelung also zu den zwingenden Zustellungsvorschriften i. S. des (mit § 8 Alt 1 VwZG inhaltsgleichen) § 189 ZPO (so BFHE 235, 255)?. Oder sieht man in § 180 S. 3 ZPO keine zwingende Zustellungsvorschrift, weil dem darin vorgesehenen Vermerk lediglich die Funktion zukommt, dem Empfänger der Sendung nachrichtlich das Zustellungsdatum zur Kenntnis zu bringen (VGH München, Beschl. v. 31. 1. 2011 – 4 ZB 10.3088). Dann gilt aufgrund der vollen Beweiskraft der Urkunde (§ 418 I ZPO) diese; der Gegenbeweis nach § 418 II ZPO ist aber zulässig und kann etwa durch Vernehmung des Zustellers geführt werden.

Vorzeigen der EGVP-Eingangsbestätigung des Gerichtes gibt Beweis des ersten Anscheins der tatsächlichen Übermittlung an diesem Tage, auch wenn Dokument selbst nicht (mehr) auf dem Gerichtsserver ist

(VGH Kassel, B. v. 26.9.2017 – 5 A 1193/17 NJW 2018, 417)

Heilung bei Zustellung durch E-Mail mit Signatur gegen EB (§ 5 V VwZG):

Heilung tritt dann nur ein bei Zurücksendung des EB, § 8, 2. Hs VwZG:

aber VG Ansbach U. v. 30.5.2007 -11 K 06/06.2455 und 06.2456-NVwZ 2008, 237 Heilung dann doch bei Widerspruch ohne Zustellungsmangelrüge (Im Urteil auch Ffk, Beliehener, ganz kurze Fristen bei Vollstreckungsandrohung und Grundrechte, Thema Abhol- und Bereitstellungsanordnung an Elektrogerätehersteller).

Schöner Fall mit Diskussion, wann sich ein Empfänger nicht auf eine fehlerhafter Zustellung berufen kann und mit dem Leitsatz, dass eine unterbliebene Zustellung (konkret: Allgemeinverfügung, die nur öffentlich bekannt gegeben wurde) nicht nach § 8 VwZG geheilt sein kann: OVG Münster B. v. 24.7.2007 -13 B 950/07- NVwZ-RR 2008, 294:

Die Ag. untersagte mit – nicht individuell zugestellter – Allgemeinverfügung vom 22. 5. 2006 die Werbung für Sportwetten, die nicht von der WestLotto angeboten werden, im Internet auf der Homepage eines Inhaltsanbieters mit Sitz in Nordrhein-Westfalen. Der Sofortvollzug wurde angeordnet und es wurde für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 2000 Euro angedroht. Mit Verfügung vom 19. 7. 2006 wurde gegen die Ast. wegen Verstoßes gegen die Allgemeinverfügung ein Zwangsgeld in Höhe von 2000 Euro festgesetzt und ein weiteres Zwangsgeld angedroht. Der hiergegen gerichtete Antrag der Ast. auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hatte Erfolg.

Spezialnorm für verweigerte Annahmen: § 179 ZPO.

Das Schriftstück ist in der Wohnung bzw. den Geschäftsräumen zurückzulassen (S. 1), ansonsten zurückzusenden (S. 2). Mit der Annahmeverweigerung gilt das Schriftstück als zugestellt (S.3).

VGH München, Beschl. v. 16. 12. 2011− 22 ZB 11.2637- NJW 2012,950:

Die Zustellungsfiktion gilt auch, wenn der Adressat dem Zusteller wahrheitswidrig vorspiegelt, er wohne an der Zustellanschrift gar nicht, worauf hin dieser nach S. 2 statt nach S. 1 verfährt (Argument: treuwidriges Verhalten, Pflicht zur wahrheitsgemäßen Auskunft über Wohnsituation). VGH: die danach nochmals erfolgte Zustellung hat die Frist nicht nochmals ausgelöst. Das Vertrauen in den Fristbeginn durch die zweite Zustellung ist auch nicht unverschuldet iS einer Wiedereinsetzung

Strenge Anforderungen bei öffentlicher Zustellung:

Beispiel für die Nachforschungspflichten und die Anforderungen an den Aushang des Schriftstückes: OVG Hamburg NVwZ-RR 2001, 270, 271f: Nachfrage bei Mutter des Adressaten wäre nötig gewesen,

Bei öffentlicher Zustellung hat die Behörde die Pflicht, den VA und seine Bekanntgabe „unter Kontrolle zu halten“ und nicht mehr an öffentlicher Zustellung festzuhalten, wenn ihr später die Anschrift doch bekannt wird (VGH Mannheim, B. v. 23.04.2008 -13 S 783/08 mit weiteren Nachweisen NJW 2008, 2519f)

prozessuales:

OVG Magdeburg B. v. 2. 8. 2012 – 2 M 58/12-NVwZ-RR 2013, 85:

Antrag nach § 80 V VwGO bei Zweifel über die Verfristung des Widerspruchs jedenfalls zulässig.

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