Unzulässige Baunachbarklage gegen Gemeinde, VGH München, B. v. 06.12.2021

 

VGH München, B. v. 06.12.2021 -9 ZB 18.782NVwZ-RR 2022, 209

VG Würzburg, U. v. 22.02.2018 – W 5 K 16.794

Unzulässige Baunachbarklage gegen die Gemeinde

Die Kläger (K) wenden sich als gegen ein Bauvorhaben des Beigeladenen. Ihre Klage richtet sich aber nicht gegen den Freistaat als Rechtsträger der zuständigen Baubehörde (Landratsamt), sondern gegen die Gemeinde. Es gibt keine Baugenehmigung für das Bauvorhaben des Beigeladenen, dieser hat nur eine Bauvorlage im Genehmigungsfreistellungsverfahren für die Errichtung einer Halle eingereicht. Mit Schreiben vom 4. Juli teilt die Beklagte (B) dem Beigeladenen unter Bezugnahme auf Art. 58 BayBO mit, dass für sein Bauvorhaben kein Genehmigungsverfahren durchgeführt werden solle. Sie mache von ihrem Prüfungsrecht keinen Gebrauch und beantrage keine Untersagung nach § 15 I 2 BauGB. Sie übersendet das Schreiben auch an die K. Das Begleitschreiben bezeichnete es als Bescheid und enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung. Das Landratsamt Würzburg teilt den K mit Schreiben vom 29.Juli mit, dass das Genehmigungsfreistellungsverfahren zurzeit aus baurechtlicher Sicht nicht ausführbar sei und somit für das Baugrundstück aktuell kein Baurecht bestehe. Am 2. August erheben die Kläger Klage und beantragen, 1.) den Bescheid der B aufzuheben und 2.) die B zu verurteilen, dem Beigeladenen die Baugenehmigung für einen Neubau einer Halle (…) zu versagen. Die Klage sei aufgrund der RMB erforderlich.

VG und VGH halten beide Klageanträge für unzulässig.

Der erste Antrag sei als Anfechtungsklage nicht statthaft, es fehle an einem Verwaltungsakt. Die Erklärung der Gemeinde nach (dem jetzigen) Art. 58 II Nr. 5 BayBO sei kein VA, sondern eine schlichte Verfahrenshandlung (Realakt). Erkläre die Gemeinde, ein Baugenehmigungsverfahren nicht zu verlangen, liege darin nur eines der Tatbestandsmerkmale für eine Genehmigungsfreistellung. Der Bauherr könne nur zu einem (noch) früheren Zeitpunkt mit seinem Bauvorhaben beginnen (vgl. Art. 58 III 5 und 5 BayBO). Es werde nichts bindend festgestellt. Aus der Bezeichnung des Schreibens als Bescheid und der Rechtsbehelfsbelehrung folge nichts Anderes. Daraus könne aus Empfängersicht allenfalls abgeleitet werden, dass der Rechtsweg eröffnet sei. Eine Anfechtung der Freistellungserklärung sei aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes nicht erforderlich, weil die K auch ohne die Möglichkeit, die Mitteilung der Gemeinde vom 4. Juli 2016 anfechten zu können, gegenüber dem Vorhaben des Beigeladenen nicht rechtlos gestellt seien. Sie könnten bei der Bauaufsichtsbehörde einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten stellen und dann später dann soweit nötig Rechtsweg beschreiten.

Eine Erklärung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG , die nach der Rechtsprechung des BVerwG einen Verwaltungsakt darstelle, betreffe den anders gelagerten Fall, dass die zuständige Behörde feststelle, dass die geplante Änderung einer Anlage keiner förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Auch sei diese Norm gar nicht nachbarschützend.

Eine Umdeutung in ein Verpflichtungsbegehren auf bauaufsichtliches Einschreiten scheide aus, weil ein solches gegen den Träger der Bauaufsichtsbehörde zu richten wäre.

Dem 2. Klageantrag fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil die K keine Verbesserung ihrer Rechtslage erreichen könnten. Zulässigkeit unterstellt, würde sich die Klage auch gegen den falschen Beklagten richten.

Die K müssten die Kosten voll tragen. Von § 155 Abs. 4 VwGO sei nach Ausübung gerichtlichen Ermessens kein Gebrauch zu machen, obwohl eine vorprozessual erteilte falsche Rechtsbehelfsbelehrung ein Beteiligtenverschulden im Sinne dieser Vorschrift sein könne. Die K hätten allerdings das KIageverfahren auch nach entsprechenden gerichtlichen Hinweisen fortgesetzt.

Erfolgreicher Antrag nach § 80 VII 2 VwGO: VG Berlin, B. v. 6.10.2021

Erfolgreicher Antrag nach § 80 VII 2 VwGO:

VG Berlin, B. v. 6.10.2021 – VG 11 L 291/21- ZUR 2022, 112

Das Bezirksamt hatte mit einer „Anhörung/Anordnung gemäß § 45 Straßenverkehrs-Ordnung“ in einer Straße in Berlin Friedrichshain die Kennzeichnung einer Fußgängerzone (Zeichen 242.1 und 242.2) an. Ferner sollte die Fußgängerzone mit „Radverkehr frei“ ausgeschildert werden. Es wurden Zeichen 283-10 und 283-20 (Absolutes Haltverbot) angeordnet und sodann aufgestellt, zusätzlich das Zeichen 250 (Durchfahrtsverbot für Fahrzeuge aller Art). Die Antragsgegner –Eigentümer bzw. Anwohner eines Hauses an der Straße legten Widerspruch gegen die Sperrung für den öffentlichen Durchgangsverkehr durch Personen- und Lastkraftwagen ein, über den noch nicht entschieden ist. Das VG ordnete rechtskräftig mit Beschluss vom 28. Juni 2021 (VG 11 L 164/21) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an und verpflichtete den Antragsteller zu Entfernung der Verkehrszeichen 250, 242.1, 283.10 und 283.20, der errichteten Poller sowie der Absperrungen (bestätigt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 9. September 2021 (OVG 1 S 97/21).

Nunmehr hat das Bezirksamt –nach vorangegangener bloßer Ankündigung- die straßenrechtliche Teileinziehung aufgrund § 4 I BerlStrG des betroffenen Straßenabschnitts und deren Vollziehbarkeit verfügt und diese Allgemeinverfügung im Amtsblatt von Berlin veröffentlicht.

Nach Auffassung des VG führt diese Änderung der Sach- und Rechtslage im Sinne des § 80 VII VwGO dazu, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung nunmehr überwiegt. Es bestünden nunmehr keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes.

Rechtsgrundlage sei § 45 I b 1 Nr. 3, 1. Alt., 2 StVO. Hiernach treffen die Straßenverkehrsbehörden die notwendigen Anordnungen zur Kennzeichnung von Fußgängerbereichen und ordnen die Kennzeichnung von Fußgängerbereichen im Einvernehmen mit der Gemeinde an.

Die Voraussetzungen für die Kennzeichnung eines Fußgängerbereichs lägen nunmehr vor.

Das gemeindliche Einvernehmen in diesem Sinne sei entbehrlich. Die Grundsätze zu § 36 BauGB zur Identität von Baugenehmigungsbehörde und Gemeinde selbst bei unterschiedlich Organen seien übertragbar. Auf die Rechtmäßigkeit der Teileinziehung komme es angesichts deren sofortiger Vollziehbarkeit nicht an. Überdies sei eine Verletzung des Eigentumsrechts aus Art. 14 GG nicht ersichtlich, das nur über § 10 III BerlStrG (Anliegergebrauch) geschützt sei. Aus § 4 I 3 BerlStrG („Von der Möglichkeit der Teileinziehung soll insbesondere dann Gebrauch gemacht werden, wenn zur Realisierung von Maßnahmen der Verkehrslenkung und Verkehrsberuhigung bestimmte Verkehrsarten auf Dauer von dem durch die Widmung der Verkehrsfläche festgelegten verkehrsüblichen Gemeingebrauch ausgeschlossen werden sollen.“) folge kein subjektives Recht.

Zwangsvollstreckung: Durchsetzung einer bauordnungsrechtlichen Verfügung -OVG Münster, B. v. 27.09.2021

 

OVG Münster, B. v. 27.09.2021 – 2 B 1299/21-, NVwZ-RR 2022, 125:

Zwangsvollstreckung: Durchsetzung einer bauordnungsrechtlichen Verfügung; Auslegung einer Erledigungserklärung als rein prozessual:

Gegen die Antragsteller war am 31. 07.2018 eine Ordnungsverfügung ergangen, mit welcher die Nutzung einer Wohnung untersagt wurde, weil eine Baugenehmigung fehle. Gleichzeitig wurde ein Zwangsgeld angedroht. In der Sache war das Gebäude abweichend von der ursprünglichen Baugenehmigung errichtet worden. Später dann wurde auf dem Nachbargrundstück eine Abstandsflächenbaulast eingetragen und am 13.06.2019 eine Baugenehmigung mit Nebenbestimmungen erteilt. Im Klageverfahren gegen den Bescheid erklärten die Antragsteller daraufhin im August 2019 den Rechtsstreit für erledigt, die Baubehörde schloss sich dem im Oktober 2020 an. In ihrem § 80 V-VwGO-Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den nunmehr ergangenen Zwangsgeldfestsetzungsbescheid vom 18.02.2021 wenden die Antragsteller ein, die Nutzungsuntersagung hätte sich durch die Baulasteintragung und die Baugenehmigung erledigt, jedenfalls durch die übereinstimmende Erledigungserklärung. Auch hätte das Zwangsgeld nochmals angedroht werden müssen und das Zwangsgeld nicht einfach nach zweieinhalb Jahren verhängt werden dürfen. Der Antrag ist erfolglos geblieben.

Nach Auffassung des OVG war die Wohnnutzung auch nach der Baulasteintragung und der (zweiten) Baugenehmigung bereits weiterhin formell illegal, weil nach § 84 VIII NRWBauO die Aufnahme der Nutzung nicht bereits mit der Baugenehmigung erlaube, sondern erst mit der ordnungsgemäßen Fertigstellung (vgl. § 84 VIII 1 NRWBauO: „Anlagen im Sinne des Absatzes 1 dürfen erst benutzt werden, wenn sie ordnungsgemäß fertig gestellt und sicher benutzbar sind, frühestens jedoch eine Woche nach dem in der Anzeige nach Absatz 2 genannten Zeitpunkt der Fertigstellung.“). Eine der Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung wiederholte dies sogar ausdrücklich. Eine weitere Nebenbestimmung mit Anforderungen an ein Treppenhaus sei zudem noch nicht erfüllt.

Der Anschluss an die klägerische Erledigungserklärung sei nach dem Erklärungsinhalt eine rein prozessuale Erklärung gewesen. Das OVG folgt der gängigen Rechtsprechung: Diese sei auch geboten gewesen, da die Behörde kein berechtigtes Interesse an der alleine noch möglichen Feststellung, dass Erledigung nicht eingetreten sei. Eine Erklärung, dass sich die Nutzungsuntersagung selbst erledigt habe, sei damit nicht verbunden gewesen.

Das Ermessen, nunmehr noch ein Zwangsgeld festzusetzen, sei rechtsfehlerfrei ausgeübt worden. Eine Verwirkung liege nicht vor: Die Verzögerung läge an wiederholten Versuchen der Antragsteller, einen formal legalen Zustand herbeizuführen. Es gebe keine Anzeichen für eine aktive Duldung der rechtswidrigen Nutzung.

OVG Münster, B. v. 27.9.2021

§ 123 VwGO-Antrag auf einstweilige Feststellung- Sonntagsfrage auch nach Briefwahl? – VGH Kassel, B. v. 22.09.2021

§ 123 VwGO-Antrag auf einstweilige Feststellung- Sonntagsfrage auch nach Briefwahl? –

VGH Kassel, B. v. 22.09.2021 -8 B 1929/21 NVwZ-RR 2022, 243

VG Wiesbaden B. v. 16.09.2021 -6 L 1174/21.WI

Die Antragstellerin A, das Meinungsforschungsunternehmen Forsa, erstellt aufgrund von Umfragen Prognosen über das Wahlverhalten. Sobald vor einer Wahl die Möglichkeit besteht, die Stimme per Briefwahl abzugeben, fragt die A die Umfrageteilnehmer zunächst, ob und gegebenenfalls wie sie bereits per Brief gewählt haben. Wer noch nicht gewählt hat, wird anschließend nach seiner voraussichtlichen Wahlentscheidung gefragt. Mit Schreiben vom 24.8.2021 und vom 6.9.2021 bat der Antragsgegner, der Bundeswahlleiter (B) u. a. die A unter Hinweis auf § 32 II BWahlG („Die Veröffentlichung von Ergebnissen von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe über den Inhalt der Wahlentscheidung ist vor Ablauf der Wahlzeit unzulässig) und die gesetzlich vorgesehene Geldbuße von bis zu 50.000 €, es zu unterlassen, vor 18 Uhr des Tages der Bundestagswahl Ergebnisse von Wählerbefragungen zu veröffentlichen, denen mit Wissen der Ast. auch Daten von Befragten zugrunde liegen, die ihre Stimme zur Bundestagswahl bereits per Briefwahl abgegeben haben. § 32 Abs. 2 BWahlG verbiete ganz allgemein die Veröffentlichung von Ergebnissen von Wählerbefragungen nach einer Stimmabgabe vor Ablauf der Wahlzeit. Ansonsten entstünde angesichts des hohen Briefwahlanteil schon vor dem Schluss der Wahllokale ein Bericht über die tatsächliche Stimmabgabe zur bevorstehenden Bundestagswahl.

Die A beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache (bereits erhobene Feststellungsklage) festzustellen, dass es nicht gegen § 32 II BWahlG verstoße, wenn A vor dem Wahltag der Bundestagswahl Ergebnisse von Befragungen veröffentliche, denen als aggregierter (nicht gesondert ausgewiesener) Bestandteil auch die Angaben von Briefwählern über ihre bereits getroffenen Wahlentscheidungen zugrunde lägen.

B hält den Antrag für bereits unzulässig. Denn er sei ein unabhängiges Wahlorgan und stehe außerhalb der Verwaltungsorganisation des Bundes. VwGO und VwVfG fänden keine Anwendung.

Der Antrag hat Erfolg: § 40 VwGO sei einschlägig. Eine abdrängende Sonderzuweisung gebe es nicht. Die Spezialvorschrift des § 49 BWahlG finde keine Anwendung. § 49 BWG erfordere den Streit um Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren bezögen. Das Schreiben des B an die A sei keine solche Maßnahme, denn es betrifft das Wahlverfahren nicht unmittelbar, sondern das Verhalten Dritter im Zusammenhang mit der Wahl. § 32 II BWahlG beziehe sich auch nicht auf das Wahlverfahren selbst.

Auch der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 49 BWahlG, Rechtsschutz gegen Maßnahmen im Rahmen der Wahl und die Wahlanfechtung in Umsetzung von Art. 41 GG einem besonderen Verfahren, spreche gegen die Anwendung im vorliegenden Fall. Auch aus § 49a BWG folge, dass bestimmte Entscheidungen des B, die die Wahl nur mittelbar betreffen, wie Bußgeldverfahren gerade wegen Verstoßes gegen § 32 Abs. 2 BWahlG nicht der Wahlprüfung unterlägen.

Weil der B keinen Verwaltungsakt erlassen habe, sei § 80 V VwGO nicht vorrangig.

Die Antragsbefugnis (§ 42 II VwGO analog) und ein qualifiziertes Feststellungsinteresse lägen vor: Ein nur nachträglicher Rechtsschutz sei angesichts des Bußgeldverfahrens gegeben.

Die Antragstellerin sei auch schutzwürdig. Hieran würde es fehlen, wenn sich die Antragstellerin sehenden Auges in das Risiko begeben hätte, eine Strafe für ein von ihr für rechtmäßig gehaltenes Verhalten zu erhalten, indem sie weitere Umfrageergebnisse veröffentlicht hätte.

Richtiger Antragsgegner sei der Bund (§ 78 I VwGO analog), vertreten durch den Bundeswahlleiter als besonderem Wahlorgan (

Der Antrag sei auch begründet, weil ein Anordnungsanspruch bestehe. Nach Auffassung des VGH fällt eine Briefwahl nicht unter § 32 II BWahlG, da diese nicht unter den Begriff der Stimmabgabe zu fassen sei.

§ 44a VwGO

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Wiedereinsetzung (int.)

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