Widerspruchsverfahren-Merkschema und Einzelfragen

Merkschema:

I Statthaftigkeit/Zulässigkeit

1.) Auslegung Rechtsschutzziel: im Zweifel liegt der Rechtsbehelf Widerspruch vor:

*Zur Auslegung von Schreiben als Widerspruch: BVerwG NJW 2002, 1137: Es gibt kein Verbot, Willenserklärungen zu Gunsten eines Verfahrensbeteiligten erfolgsorientiert auszulegen nach Bundesrecht. Hier: Antrag auf Widerruf bzw. Rücknahme als Widerspruch

  • zB auch Antrag auf Aufenthaltserlaubnis als Widerspruch denkbar gegen den vorangegangenen Widerruf der alten Aufenthaltserlaubnis, weil die Argumente dazu passen (so VGH Mannheim, B. v. 23.04.2008 -13 S 783/08- NJW 2008, 2519
  • zB Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen (in einem Widerspruch der an sich nur den bereits zu einem anderen vorgelagerten Streitgegenstand unnötigerweise wiederholt hat, vgl. BVerwG, U. v. 30.10.2013 – 2 C 23.12 – NVwZ 2014, 678, ähnlich auch VGH Mannheim, B. v. 18.07.2019 1 S 871/19 NJW 2020, 701.
  • Auch möglich, wenn selbst auf den Hinweis hin, im bisherigen keinen Widerspruch erkennen zu können, erneut nichts Ausdrückliches folgt (VGH a. a, O.).

2.) Zuständigkeit Widerspruchsbehörde, § 73 I,II VwGO

VG Berlin LKV 2003, 568: kein Wechsel der Widerspruchsbehörde, wenn die Ausgangsbehörde teilweise abhilft und bei einem Ausgangsbescheid in der jetzigen Gestalt eine andere Widerspruchsbehörde zuständig wäre (nämlich die Ausgangsbehörde selbst )

3.) Zulässigkeitsvoraussetzungen siehe Kopp/Schenke vor § 68 (Verwaltungsrechtsweg, Statthaftigkeit des Widerspruches, Form- und Fristeinhaltung, Widerspruchsbefugnis § 42 II VwGO analog, allgm. Rschbed. [kein Verzicht, keine Verwirkung nach Treu und Gl im nachbarr. Gemeinschaftsver.).

4.) u. U. besondere Vorschriften: primär gelten Spezialregeln, dann §§ 68ff VwGO, subsidiär nach § 79 VwVfG das VwVfG

5.) Zeitpunkt für Vorliegen hierfür: Behördenentscheidungszeitpunkt

6.) Grundsätzlich gelten die allgemeinen Grundsätze für die Ermittlung

II. Begründetheitsvoraussetzungen:

1.) für Anfechtungssituation: § 68 I 1, 113 I 1 entspr. VwGO:K/S Vor § 68 Rdnr. 12a, § 68 Rdnr. 12: Wenn und soweit der angefochtene Verwaltungsakt rw ist und der WF dadurch in seinen Rechten verletzt ist oder: wenn der Verwaltungsakt unzweckmäßig ist und die Ermessensnorm ( einen Beurteilungsspielraum einräumende Norm ) zumindest auch den Interessen des WF zu dienen bestimmt ist.

2. )Für Verpflichtungssituation: § 68 I 1, 113 V entspr. VwGO: Wenn die Ablehnung rw ist und der WF in Rechten verletzt wird, weil ein Anspruch besteht bzw. wenn die Ablehnung unzweckmäßig ist und die Ermessensnorm… ( wie oben ).

3.) weitergehende Entscheidungen ( zwar Ausgangsbescheid rw, aber WF nicht in eigenen Rechten verletzt ): Nicht in der Kompetenz der Widerspruchsbehörde ( stattdessen: u. U. Rücknahme, Widerruf ). u. U. reformatio in peius.

4.) Zeitpunkt für Sach- und Rechtslage: Grundsätzlich Zeitpunkt Widerspruchsbehördenentscheidung

Einzelfragen:

Widerspruchsbehörde entscheidet in der Sache, trotz verspätetem Widerspruch

Rspr.: grundsätzlich zulässig, § 70 keine materiellrechtliche Ausschlußfrist, Sachherrschaft der Behörde, BVerwGE 57, 342, 344.

Ausnahme: Dritter ist schutzwürdig, BVerwG DÖV 1982, 941,

Gegenausnahme: Dritter nicht schutzwürdig, zB weil dieser eine Gemeinde ist oder weil er selbst Widerspruch eingelegt hat.

Die Abgabenachricht ist rein deklaratorisch (so ausdrücklich BVerwG, U. v. 23.08.2011 – BVerwG 9 C 2.11 NVwZ 2012, 506 m. Bespr. JUS 2012, 479

Abhilfe oder Rücknahme?

BVerwG, Urteil vom 28. 4. 2009 – 2 A 8/08 NJW 2009, 2968; Bespr. In JuS 2010, 406, 408:

Die (Ausgangs-)Behörde, die ihre mit einem Widerspruch angegriffene Maßnahme als rechtswidrig erkennt, hat die ihr vor Erlass eines Widerspruchsbescheids zustehende Wahl zwischen Abhilfe und Rücknahme nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Sieht die Behörde von einer Abhilfe nur deswegen ab, um dem zu erwartenden Kostenanspruch des Widerspruchsführers zu entgehen, ist die behördliche Formenwahl unbeachtlich und von einer Abhilfeentscheidung auszugehen.

Gegen die Kostengrundentscheidung im WB (Kostenlastentscheidung) muss geklagt werden, es ist nicht noch mal ein Widerspruchsverfahren statthaft.

BVerwG, Urt. 12.08.2014 -1 C 2.14- NVwZ-RR 2014, 869 (mit Bespr.JuS 2015, 418, 420f: Ein neues Widerspruchsverrfahren ist weder aufgrund der Selbstkontrolle der Verwaltung, noch zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes noch zur Entlastung der VGs geboten.

M. E. sind also die Kostenentscheidung bzw. die Kostenfestsetzung zwar selbst Verwaltungsakte, aber unmittelbar mit der Anfechtungs- bzw. der Verpflichtungsklage angreifbar, sofern sie als Teil des Widerspruchsbescheides ergehen. Ergeht die Entscheidung im Abhilfeverfahren, ist zunächst ein Widerspruch einzulegen.

Aufsatz zur Erledigung im Widerspruchsverfahren Exner, Richter-Hopprich JuS 2015, 521

Vollstreckung von Verwaltungsakten

Vollstreckungs von Verwaltungsakten: Vorrang der Spezialgesetze, Vollstreckung von Geldforderungen §§ 1ff VwVG, Vollstreckung von Handlungs-, Duldungs- und Unterlassungspflichten §§ 6ff VwVG, Zwangsmittelandrohung, einzelne Zwangsmittel, aktuelle Probleme

Rechtsgrundlagen:

  • primär Spezialgesetze, z.B. § 49f AuslG Abschiebung
  • Bundesrecht: VwVG
  • Landesrecht, in Berlin: Nach § 8 II 1VwVfG Bln gilt das VwVG mit den Modifikationen der nachfolgenden Sätze, insbesondere des § 8 II 2 (Zwangsgeld max. 50.000,– €).

Vollstreckung von Verwaltungsakten mit Geldforderungen, §§ 1ff VwVG

  • Zuständige Vollstreckungsbehörde, § 4 VwVG
  • richtiger Vollstreckungsschuldner, § 2 VwVG
  • Leistungsbescheid, § 3 II a, keine vorläuf. VV erforderlich, § 3 I VwVG (aber: Einstellung der Vollstreckung bei aufschiebender Wirkung eines Rechtsmittels, § 5 I VwVG i. V. m § 251 AO, das selbe folgt aus § 80 I VwGO)
  • Fälligkeit der Geldforderung, § 3 II b VwVG
  • Verstreichen der Wochenfrist, § 3 II c VwVG
  • soll: Mahnung, § 3 III VwVG
  • ungeschrieben: Nichtvorliegen Voraussetzungen einer Einstellung der Vollstreckung (insb. Erfüllung, Stundung, Eintritt der aufschiebenden Wirkung).

Vollstreckungen von Verwaktungsakten mit Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflicht, §§ 6ff VwVG:

Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörde, § 7 VwVG

-vollstreckbarer VA, § 6 I VwVG; Ausnahme: unmittelbares Ausführen nach § 6 II VwVG; VA nicht nichtig; RW egal (kein sogenannter Rechtswidrigkeitszusammenhang), Ausnahme bei erledigten VAs, es sei denn, man hält diese insoweit noch nicht für erledigt. Beispiel: Ersatzvornahme ist vollzogen.

-richtiger Adressat (Pflichtiger) (problematisch bei Rechtsnachfolgern (k)eine höchstpersönliche Pflicht?

-Nichterfüllung der Pflicht

-Pflichterfüllung nicht tatsächlich oder rechtlich unmöglich (klassisches Beispiel: Abrissverfügung gegen einem von mehreren Eigentümern)

Bsp. Keine Vollstreckung bei Unbestimmtheit des Verwaltungsakts, auch dann, wenn der Bestimmtheitsmangel „nur“ zur Rechtswidrigkeit, nicht aber zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts infolge Nichtigkeit führt. So für Auflage, „die Außenwände in einem landschaftlich unauffälligen Farbton zu gestalten“, VGH Mannheim, Urt. v. 10. 1. 2013 – 8 S 2919/11 – NVwZ-RR 2013, 451

Nichtvorliegen von Einstellungsvoraussetzungen (VA-Aufhebung, Zweckerreichung etc.)

Zugestellte (!) Androhung des Zwangsmittels, § 13 VwVG

Zwangsmittel vorgesehen, nach pflichtgemäßem Ermessen ausgewählt, § 9 II VwVG

Dies muss aber gegen die Androhung („Stufe der Androhung“) vorgebracht werden. Wird die Androhung bestandskräftig, kann dies nicht mehr auf der Stufe der Zwangsmittelfestsetzung eingewandt werden, OVG Niedersachsen, B. v. 2.2.2015 -4 LA 245/13 NdsVBl 2015, 169 mit Bespr. JUS 2015, 862

Voraussetzungen des einzelnen Zwangsmittels liegen vor.

Ersatzvornahme

bei vertretbaren Handlungen

nach § 10 VwVG Fremdvornahme durch Dritte, Selbstvornahme wohl unmittelbarer Zwang nach § 12 VwVG

Zwangsmittelandrohung bei Unterlassungspflichten

Frist „sofort“ oK (weil Nichtstun sofort geht?

OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 11.9.2014 -OVG 10 S 8/13- NVwZ 2015,90: im Prinzip ja, weil zumutbar, es sei denn, zur Erfüllung seien Vorbereitungshandlungen nötig (Im konkreten Fall kann ein Wettbürobetrieb nicht sofort eingestellt werden, weil jedenfalls die laufenden Wetten noch abzuwickeln sind)

Probleme mit weiteren Schritten im Verlauf des Vollstreckungsverfahrens:

OVG Münster, B. v. 19.1.2009 -5 E 1213/08- NVwZ-RR 2009, 516: Zur Unverhältnismäßigkeit einer Ersatzzwangshaftverhängung,

wenn das Zwangsgeld als eigentliches Beugemittel für lange Zeit nicht beigetrieben werden konnte: Keine Freiheitsentziehung, wenn Aufenthaltsverbot abgelaufen ist, danach kann die Ersatzhaft nur einer Entwertung der Androhung eines Zwangsgeldes als Beugemittel entgegenwirken

OVG Münster, Urt. v. 9.2.2012 -5 A 2152/10 (Besprechung JuS 2012, 1151): Ein angedrohtes Zwangsgeld bei Verstoß gegen Unterlassungspflichten

(konkret: Wohnungsverweisung) darf auch noch festgesetzt werden, wenn ein weiterer Verstoß nicht mehr möglich ist (hier wegen Ablauf des Rückkehrverbots). Begründung: Verwaltungseffektivität, deshalb nicht unverhältnismäßig.

OVG Magdeburg, Urt. v. 23.10.2019 -2 L 51/17- LKV 2020, 85: Das nach einem Verstoß festgesetzte Zwangsgeld erledigt sich nicht, wenn danach kein weiterer zu besorgen ist. Der Beugedruck soll von Anfang an auch durch das Bewusstseinbestehen, dass jede Verbotsübertretung zur Festsetzung und Beitreibung führt. § 56 II 2 SachsAnhSOG (Beitreibensverbot („Die Beitreibung unterbleibt, sobald die betroffene Person die gebotene Handlung ausführt oder die zu duldende Maßnahme gestattet.“) steht nicht entgegen.

a. A. jedenfalls für Thüringer Landesrecht OVG Weimar, B. 5. 6. 2012 – 1 EO 284/12 LKV 2012, 523:

Sobald der Zweck der Zwangsvollstreckung erfüllt sei, müsse die weitere Vornahme von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingestellt werden. Dies gelte insbesondere für die Beitreibung eines Zwangsgeldes, wenn eine Unterlassungspflicht nach Zwangsgeldfestsetzung erfüllt werde. Die einschlägige Norm sei zwingend: nach § 47 IV 1 ThürVwZVG in der aktuellen Fassung sei die Vollstreckung generell, d. h. ohne Ermessensentscheidung bei besonderer Härte, einzustellen, wenn der Vollstreckungsschuldner seiner Verpflichtung erst nach Zwangsgeldfestsetzung nachkomme. Nach NRW-Recht sei es möglicherweise anders, weil dort in § 60 III 2, 2. Hs. NRWVwVG unabhängig von einer späteren Erfüllung der Pflicht ausdrücklich angeordnet sei, dass das Zwangsgeld beizutreiben sei, wenn der Duldungs- oder Unterlassungspflicht zuwidergehandelt worden sei, deren Erfüllung durch die Androhung des Zwangsgeldes erreicht habe werden sollen.

Nach Bundes-VwVG sei der Vollzug einzustellen, sobald sein Zweck erreicht sei;

ebenso OVG Weimar, Beschl. v. 7. 5. 2015 -LKV 2016, 93-.

Problem bei § 13 VI 2 (Bundes-)VwVG (weitere Androhung nur, wenn das zunächst angedrohte Zwangsmittel erfolglos ist) mit der TBV „erfolglos?“. Dies setzt nach hM nur voraus, dass die erste Androhung fruchtlos geblieben ist. Einer Festsetzung oder gar eines Vollstreckungsversuchs selbst bedarf es nicht. Denn bereits die Zwangsgeldandrohung soll den Vollstreckungsschuldner bewegen, nicht erst dessen Festsetzung, geschweige denn die Beitreibung (vgl. OVG Schleswig, B. v. 6.12.1999 -2 M 52/99- NVwZ 2000, 821, a A. gut vertretbar). Festsetzung eines zuvor angedrohten Zwangsgeldes darf also mit der Androhung eines weiteren (höheren) Zwangsgeldes verbunden werden. Landesvorschriften oft noch Behörden freundlicher.

Zur Frage, ob Rechtschutz (nur) durch Rechtsmittel gegen den Grund-VA beschritten werden kann oder ob sich dieser mit dem Vollzug erledigt:

siehe bei „Erledigung“

Aufsatz: Einführung ganz allgemein: Muckel JA 2012, 272

Nebenbestimmungen

Prüfungsschema für die Klageart bzw. die Art des Eilrechtsschutzes:

1. Zunächst zu prüfen: liegt eine Nebenbestimmung vor oder handelt es sich um eine Inhaltsbestimmung des VA

[Anm.: eine der Fallgruppen hierfür wird von Literaturstimmen entgegen der vorherrschenden Terminologie auch als modizfizierende Auflage bezeichnet]

durch Auslegung zu ermitteln:

„Ponyhof statt Geflügelfarm“ klar Inhaltsbestimmung schlicht ein aliud; hingegen Bsp. für § 36 I VwVfG: Baugenehmigung mit Auflage, Schuppen abzureißen, damit die Grundflächenzahl (vgl. §§ 16, 19 BauNVO) nicht überschritten wird.

  • Bezeichnung Nebenbestimmung ist Indiz , entscheidend ist die Auslegung insgesamt
  • materieller Gehalt der Bestimmung = unmittelbares Betreffen des betrieblichen Konzeptes

kein fester Katolog an NB,

§ 36 II betrifft -nur- Ermessensverwaltungsakte

2. Vorrang von Spezialregeln

3. Rechtsschutz

Verpflichtungsklage auf Erlass eines nebenbestimmungsfreien VAs ( Eilantrag nach § 123 VwGO oder (isolierte) Teil-Anfechtungsklage (vgl. § 113 I 1 VwGO „soweit“; mit vorläufigem Rechtsschutz nach § 80 V VwGO)?

Klausurtaktik: Frage ist auch heute noch Gegenstand von Kontroversen in Literatur und Rechtsprechung (so aus jüngerer Zeit Funke NVwZ 2021, 114). Soweit Zeit ist, sollte deshalb ausführlich diskutiert werden.

Geht Teilanfechtungsklage gegen Nebenbestimmung nach BVerwG ?

  • Denkbare Differenzierungen:
  • Bedingung/Befristung: isolierte Anfechtung ja (BVerwGE 60, 269, 274)
  • Auflage grundsätzlich ja (z.B. frühere RS, so BVerwG NJW 1998, 94), aber Einschränkung bei
  • modifizierender Auflage (vgl. BVerwGE 55, 135,137) : Steht die Nebenbestimmung mit dem Gesamtinhalt in einem untrennbaren Zusammenhang, schränkt sie insbesondere eine Rechtsgewährung qualitativ ein, scheidet isolierte Anfechtung aus. Als m. A. als eine Nebenbestimmung
  • Ermessensentscheidungen BVerwGE 55, 135 138: wegen der einheitlichen Ermessensentscheidung: keine isolierte Anfechtung

heute wohl von der RS (nicht Literatur) weitgehend aufgegeben nach BVerwGE 81, 185; 186; 88, 348, 349

Eine Auflage ist selbständig anfechtbar, jedenfalls wenn geltend gemacht wird, die Auflage finde im Gesetz keine Stütze, da es nicht eine Frage der Zulässigkeit sondern der Begründetheit, ob Aufhebung der Auflage rechtswidrigen Haupt-VA hinterlässt, wenn nicht eine isolierte Anfechtbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet (Ähnlich bereits BVerwGE 60, 269, 276)

auch bei Ermessens-VAs bzw. modif. Auflagen, da bei Aufhebung der Auflage Widerruf möglich (BVerwGE 65, 139, 141, bekräftigt U. v. 6.11.2019 -8 C 14/18 NVwZ 2021, 163, aber umstritten.)

BVerwG NVwZ-RR 1996, 20 (Spielhallengenehmigung mit isoliert anfechtbarer Auflage (zum Nachlesen empfohlen; mit Arg. § 113 I1 VwGO „soweit“)

Gilt mittlerweile für alle Arten von Nebenbestimmungen.

Fälle für ein offenkundiges Ausscheiden:

OVG Berlin NVwZ 2001, 1059 (sanierungsrechtliche Baugenehmigung in einem Sanierungsgebiet mit der aufschiebenden Bedingung (zur Sicherung des festgestellten Sozialplans), dass mit den Mietern sanierungsrechliche Modernisierungsvereinbarungen abgeschlossen werden). (Antrag nach § 80 V-VwGO abgelehnt, weil der Widerspruch gegen diese Bedingung nicht dazu führe, dass von der Baugenehmigung bereits Gebrauch gemacht werden könne .

OVG Magdeburg, B. v. 17.09.2008 -2 M 153/08- NVwZ-RR 2009, 239 Nebenbestimmung zu einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung einer Windkraftanlage: Bedingung, vor Errichtung zur Finanzierung der Rückbaukosten nach dauerhafter Nutzungsaufgabe Sicherheit in Form einer Bankbürgschaft über 72000 € zu stellen.

Dagegen Antrag auf Feststellung, dass Klage aufschiebende Wirkung habe: Anders als oben OVG Berlin NVwZ 2001,1059 sei hier die Nebenbestimmung abtrennbar, auch als Bedingung. Sie sei kein integraler Bestandteil der Genehmigung. RF: Isolierte Anfechtungsklage sei jedenfalls zulässig,.

Ebenso: BVerwG, Urt. v. 17.10.2012 -4 C 5/11 BVerwGE 144, 341-355: für Rückbauverpflichtung (vor Beginn der Bauarbeiten ist zur Finanzierung der Rückbaukosten nach dauerhafter Nutzungsaufgabe der Windenergieanlage eine Sicherheitsleistung zu erbringen).

Keine Fälle für offensichtliches Ausscheiden:

Nach BVerwG, Urt. v. 6.11.2019 -8 C 14/18- NVwZ 2021, 163 kommt es für die Frage eines offensichtlichen Ausscheidens nicht darauf an, ob der VA von vornherein matriellrechtlich rw ist, oder erst der Rest-VA durch die Aufhebung der angegriffenen Nebenbestimmung rw wäre. Auch im ersten Fall bleibt es bei einer Anfechtungsklage, die jedoch unbegründet ist, weil der verbleibende FA nicht der Rechtsordnung entspräche (Rdnr. 23; im konkreten Fall ist der [Ermessens-]VA durch eine unzuständige Behörde erlassen worden).

OVG Magdeburg, B. v. 16.9.2009 -2 M 89/09 –NVwZ-RR 2010, 381: Isoliert anfechtbar im konkreten Fall ist eine denkmalschutzrechtliche Auflage als Teil des VA in Form einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung, die Kosten der archäologischen Dokumentation zu tragen. Es liege keine untrennbare Einheit mit der Grabungserlaubnis vor, weil die Kostentragungslast nach dem Gesetz auf das Zumutbare beschränkt sei. (Gleichzeitig Fall für einen Streit um den Umfang der aufschiebenden Wirkung, bei dem ein Feststellungsantrag nach § 80 V analog gestellt werden kann -unter Bezug auf Kopp/Schenke § 80 Rdnr. 181- wohl str.)

4. Begründetheit der (isolierten-)Anfechtungsklage gegen die Nebenbestimmung:

Die Klage ist nach BVerwG begründet, wenn die Nebenbestimmung rechtswidrig ist und isoliert aufhebbar ist, weil der Verwaltungsakt ohne sie „sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann“ (BVerwG, [Anfrage-] B. v. 29. März 2022 – 4 C 4/20 –, BVerwGE 175, 184-192, Rdnr. 8 mit weiteren Nachweisen). Es darf nicht sein, dass zwischen der Nebenbestimmung und dem eigentlichen Inhalt des Verwaltungsakts ein Zusammenhang besteht, der die isolierte Aufhebung ausschließt. Die Formulierung „sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann“ zielt darauf, ob die Rechtsordnung eine Genehmigung (Begünstigung) ohne die angefochtene Nebenbestimmung erlaubt. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob der verbleibende Verwaltungsakt über die in Zusammenhang mit der Nebenbestimmung stehenden rechtlichen Anforderungen hinaus in jeder Hinsicht rechtmäßig ist oder ein Anspruch auf seinen Erlass besteht (BVerwG, a. a. O. Rdnr. 12).

Die dem entgegenstehende Auffassung, die der 8. Senat des BVerwG zwischenzeitlich vertreten hat, wonach die isolierte Anfechtungsklage nur Erfolg hat, wenn der verbleibende Verwaltungsakt für sich genommen rechtmäßig ist, hat dieser auf den Anfragebeschluss hin ausdrücklich aufgehoben (B. v. 12.10.22 -8 AV 1/22-, bespr. Von Schübel-Pfister JuS 2023, 416f).

5. Einzelproblem Auslegung einer Nebenbestimmung

BVerwG, Urt. v.16.06.2015 -10 C 15/14- NVwZ 2015, 1764 mit Bespr. Waldhoff JuS 2016, 187:

Nebenbestimmung einer Subvention, wonach ein Rückgang im Finanzierungsplan zu einer Ermäßigung der Zuwendung führe ist keine auflösende Bedingung. Es wird nämlich kein Ereignis hierfür genannt, der Rückgang stellt sich als Ergebnis von komplexen internen förderrechtlichen Berechnungen dar.

6. Einzelproblem Widerrufsvorbehalt:

BVerwG, Urt. v. 9.12.2015 – 6 C 37/14- NVwZ 2016, 699

Bei gebundenem Recht kommt ein Fall von § 36 I, 2. Alt VwVfG (Sicherstellen, dass die Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsakts erfüllt werden) nicht in Betracht, wenn nur sichergestellt werden soll, dass die Voraussetzungen künftig erfüllt bleiben (Ersatzschuleigenschaft ist zu verleihen, wenn Prognose ergibt, dass die Voraussetzungen langfristig erfüllt werden; dann kein Widerrufsvorbehalt hinsichtlich auch künftiger Erfüllung).

Heilung von Verfahrens- und Formfehlern

Prüfungsschema Heilung von Verfahrens- und Formfehlern

1. Liegt überhaupt ein Verfahrens- oder Formfehler vor?

1.1 Grundtatbestand missachtet ( Bsp. mündliche Besprechung mit Beteiligten, welche förmliche schriftliche Anhörung ersetzt; Bsp. es geht gar nicht um einen Verwaltungsakt )

1.2 Entbehrlichkeitsvorschrift in der Verfahrens- oder Formvorschrift selbst( Bsp. § 28 II; III VwVfG ) .

2. Unbeachtlichkeit

aufgrund von Spezialvorschriften ( insbesondere Präklusionsvorschriften, Spezialmitwirkungsvorschriften )

3. Heilung ausgeschlossen

3.1 nach Spezialvorschrift ausgeschlossen ? ( Bsp. Beteiligungserfordernisse, die nicht nachholbar sind, Bsp. Antragsfristen, die versäumt sind auch nicht nachgeholt werden können. )

3.2 bei Nichtigkeit nach § 44 VwVfG oder der Rechtsfolge, dass der Verwaltungsakt noch gar nicht wirksam ist

3.3 Im Prozess: Nachschieben von Ermessen nur nach § 114 Satz 2 VwGO (ist aber Prozessvorschrift, keine materielle!)

4. Spezialheilungsvorschrift ( meist Heilungsfreudiger )

  • Im Spezialrecht
  • § 79 II 2 VwGO
  • § 8 VwZG
  • §§ 214ff BauGB Planerhaltung
  • Im Fachplanungsrecht ( § 17 VI c FStrG) und Planungsrecht ( § 75 Ia 2 VwVfG )

5. § 45 VwVfG

  • Regelungsgegenstand nur die fünf Fallgruppen des § 45 I VwVfG (BVerwG NJW 1987, 1564, 1566).
  • Nachholen bis Abschluss der letzten Tatsacheninstanz (früher sogar bis Abschluss gerichtlichen Verfahrens insgesamt).
  • Heilung tritt mit Nachholung ein, nicht früher. Dies hat Auswirkungen für § 80 V / § 123 VwGO und auch sonst, wenn die Sach- und Rechtslage des Ausgangsbescheides maßgeblich ist, zum Beispiel für die Kostenentscheidung nach Erledigungserklärung nach Heilung.

Grundsatz der realen Fehlerheilung:

Nachholung bei Anhörung nicht durch die bloße Widerspruchseinlegung, die Behörde muss auch zur Kenntnis nehmen und erwägen.

Strenge Auffassung (hM): Nachholung bei schon anhängigem Rechtsstreit nur gegeben, wenn die Behörde wirklich nochmals erwägt, den angefochtenen Bescheid abzuändern. Fraglich, wenn im Gerichtsverfahren es um Zweckmäßigkeitsfragen geht, welche nach § 114 VwGO nicht zur Aufhebung durch das Gericht führen könnten.

Noch keine Heilung kann eingetreten sein, wenn der Widerspruchsführer erst nach Akteneinsicht seinen Widerspruch begründen will (so –richtig- VGH Kassel, B. v. 23.09.2011 -6 B 1701/11

  • Spezialfall für Wiedereinsetzung: § 45 III VwVfG

6. § 46 VwVfG

  • Voraussetzungen

6.1 subsidiär zu § 45 VwVfG

6.2 keine Nichtigkeit

6.3 Verletzung (nur) von Verfahren, Form oder örtliche Zuständigkeit

Verfahrensfehler auch fehlende Begründung, Kopp/Ramsauer § 46 Rdnr. 17

6.4 keine Kausalität zwischen Fehler und materieller Entscheidung= es muss ausgeschlossen sein, dass eine andere Möglichkeit zum Tragen gekommen wäre. Nicht wie früher Ermessensreduzierung auf Null. Auch bei verschiedenen möglichen Entscheidungen, wenn gewiss ist, dass sich die Verletzung nicht auf das Entscheidungsergebnis ausgewirkt hätte.

6.5 Offensichtlichkeit (der fehlenden Kausalität): „schillernder Begriff“:

Kopp-Ramsauer § 46 Nr. 36ff

  1. vernünftige Zweifel ausgeschlossen, strenger Maßstab ( materiell )
  2. str. darüber hinaus: auch hinsichtlich tatsächlicher Überzeugung ( Beweisbarkeit ) Objektiv eindeutig ( nicht Frage der Zeugenvernehmung o. ä. )
  • Rechtsfolge: Unbeachtlichkeit. Aufbaumäßig schwierig: man prüft entweder innerhalb der formellen RM auch das materielle mit, oder verweist auf unten.

Bsp. Verstoß gegen § 11 VI 2 Hs. 2 FeV führt offenbar nicht zu einem anderen Ergebnis VGH Kassel, Urt. v. 26. 5. 2011 − 2 B 550/11

Vgl. § 11 VI Fahrerlaubnisverordnung 1Die Fahrerlaubnisbehörde legt unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. 2Die Behörde teilt dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat; sie teilt ihm außerdem mit, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann. 3..

EuGH, Urt. v. 15.10.2015 – C-137/14 mit Bespr. JuS 2015, 1138:

§ 46 VwVfG gilt nicht bei Verstößen gegen Art. 11 RL 2011/92/EU (Arhus-Konvention-Umsetzung)

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Bekanntgabe u. Zustellung

Bekanntgabe u. Zustellung sind zu unterscheiden:

Bekanntgabe § 41 VwVfG, mit welcher der VA wirksam wird, § 43 VwVfG. und

(förmliche) Zustellung nach dem VwZG bzw. § 5 I VwVfG Bln i. V. m. VwZG.

Bekanntgabe:

BVerwG NJW 94, 2633 f:

Bekanntgabe erfolgt (§ 41 I VwVfG) wenn die Behörde dem Adressaten willentlich Kenntnis verschafft (im konkreten Fall war der Empfänger zunächst geschäftsunfähig).

Das kann im Einzelfall auch erst nach Jahren sein, vgl. BVerwG, Urt. v. 22.1.2021 – 6 C 26/19, NVwZ 2021, 896: über 12 Jahre (für den Fall einer mangels Erfüllung der Voraussetzungen sowohl des § 41 III 1 VwVfG wie des § 41 III 2 VwVfG unwirksamen öffentlichen Bekanntgabe eines schriftlichen Verwaltungsaktes) Die Bekanntgabe erfolgt (aber) durch Akteneinsicht in den vollständigen Text des VA, weil eine unwirksame öffentliche Bekanntgabe als notwendige Dokumentation des behördlichen Bekanntgabewillens gelten kann, weil die Behörde dadurch zum Ausdruck gebracht hat, dass der Verwaltungsakt gegenüber jedem, den er angeht, wirksam werden sollte (Rdnr. 45).

BVerwG BayVBl 1998, 374f:

Bekanntgabe an den VA Adressaten genügt, auch wenn er einen Bevollmächtigten hatte

(§ 41 I VwVfG verdrängt als Sondervorschrift den § 14 III VwVfG)

Bekanntgabe bei Verkehrszeichen →extra

Jahresfrist § 58 II VwGO analog bei fehlender Bekanntgabe→extra

Zugangsfiktion § 41 II 1 VwVfG

hM schon Fiktion an sich, allerdings:

was kann man als vermeintlicher Adressat anders machen als Zugang zu bestreiten? (Vgl. Kopp/Ramsauer § 41 Rdnr. 40b „hinreichende Plausibilität der Behauptung“ schon nötig, substantiiertes Vorbringen eines atypischen Geschehensablaufs).

VGH München, Urt. v. 24. 11. 2011 – 20 B 11.1659, NVwZ-RR 2013, 169 :

Schlichtes Bestreiten des Zugangs genügt grundsätzlich, weil ein Abgabeschuldner gar nichts dazu vortragen kann, warum ihn ein Schreiben nicht erreicht hat. Der Abgabegläubiger hat den Zugang des mit einfacher Post versandten Abgabenbescheides nachzuweisen. Der Nachweis eines entsprechenden Postausgangs beim Abgabegläubiger genügt nicht.

In Ausnahmefällen kann aus bestimmten Verhaltensweisen des Abgabeschuldners auf eine Zugangsvereitelung und auf Verstöße gegen Mitwirkungspflichten des Empfängers geschlossen werden (VGH prüft Indizien aus späterem Verhalten).

Eine unwirksame Bekanntgabe eines Abgabenbescheides kann im Widerspruchsverfahren geheilt werden, wenn der Widerspruchsbescheid den Widerspruch des Abgabeschuldners als unbegründet zurückweist (so Obiter-dicta Leitsatz, im konkreten Fall keine Heilung, weil der Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen wurde, was richtig sei, wenn der Bescheid noch nicht zugegangen ist.

Richtige Klageart nach VGH: Feststellungsklage, dass mangels Bekanntgabe der VA unwirksam sei.

Ähnlich OVG Bautzen B. v. 12. 8. 2014 -3 B 498/13- LKV 2015, 83:

Wenn die Behörde die Aufgabe zur Post dokumentiert und das Schreiben nicht als unzustellbar zurückkommt, sind Zweifel am Zugang und am Zugangszeitpunkt – soll die Zugangsfiktion nicht ihren Sinn verlieren – nur gerechtfertigt, wenn der Adressat einen atypischen Geschehensablauf schlüssig vorträgt

Schwierig: wenn der Kläger vorträgt, den Bescheid früher erhalten zu haben, weil sich danach die Rechtslage zu seinen Lasten geändert hat

so im Fall OVG Lüneburg, U. v. 23.06.2009 -12 LC 136/07 NVwZ-RR 2009, 866, dort wird vertreten, auch insoweit reiche die bloße Behauptung nicht aus.

Bekanntgabe durch Teilnahme an Internetportal

Siehe § 41 II a (Bundes-)VwVfG ,

BVerwG B. v. 21.12.2017 –6 B 43/17 NVwZ 2018, 496: Bekanntgabe nach allgemeinen Regeln möglich, wenn –wie in NRW- Spezialvorschrift fehlt. Im konkreten Fall hat die Einstellung des Prüfungs-VA in das Online-Selbstbedienungsportal der Uni genügt, womit dieser ähnlich wie beim Brief im Briekasten in den „Machtbereich“ des Empfängers gelangt ist.

Eine formlose Bekanntgabe auch gegenüber einer Privatperson per De-Mail durch das Gericht:

soll nach OVG Bautzen, B. v. 17. 3. 2020 -5 E 108/19– LKV 2020, 558 gehen, wenn diese das Gerichtsverfahren selbst per De-Mail eingeleitet hat oder Schriftsätze so eingereicht hat, solange es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Privatperson damit nicht einverstanden ist.

Problem: Wenn die Behörde eine förmliche Zustellung wählt, obgleich dies nicht nötig wäre, muss sie grundsätzlich die Formvorschriften einhalten (Bsp. OVG Schleswig, DVBl 93, 890).

Klausurtaktisch ist es aber in der Regel sinnvoll und geboten, über den Mangel hinwegzukommen:

Die Lösung über § 8 VwZG (Heilung von Zustellungsmängeln) ist die sauberste.

Ansonsten werden Ausnahmen von diesem Grundsatz vertreten:

VGH Kassel NVwZ 86, 137: durch Widerspruch geheilt

OVG Münster NVwZ 95, 395: § 242 BGB wegen rügelosem Widerspruch .

Zustellung

BVerwG NJW 93, 2884: Zustellung nach § 5 I VwZG an Ehegatten durch Übergabe einer an beide adressierten Ausfertigung an einen Ehegatten ist gegenüber dem anderen (beiden, wenn Empfänger unbekannt) fehlerhaft, da die Übergabe einer Ausfertigung (§ 2 I VwZG) an jeden Empfänger erforderlich ist

aber:

*Duldungs/-Anscheins-Vollmacht reichen aber

vgl. BVerwG Urt. v. 25.02.1994 (-8 C 2/92-) DVBl 94, 810: ZU an WEG Verwalter reicht für Müllgebührenbescheid

*Viel geheilt auch durch § 8 VwZG

*Zustellung an den Notgeschäftsführer (Gesellschafter einer GbR nach § 744 II BGB analog anstelle an alle Gesellschafter) reicht bei ensprechender Maßnahme ,

so OVG Bautzen, B. v. 04.12.2018 -3 B 277/18- NJW 2019, 1763 (hier Ordnungsverfügung über Haus-Sicherungsmaßnahmen der Gefahrenabwehr).

Zustellungsfragen extra.

Beurteilungsspielraum

Beurteilungsspielraum

1. Herleitung: nach hM (RS BVerfG, BVerwG) gesetzlich eingeräumtes Letztentscheidungskompetenz, sog. normative Ermächtigung.

2. Erfordernis verfassungsrechtlicher Legitimation aus Art. 19 IV GG (BVerfGE 84, 34).

Kontrollfrage: Warum wäre es nicht bzw. kaum vertretbar, wenn die Gerichte voll überprüfen würden?

3. Fallgruppen der RS

siehe BVerwG DVBl 1991, 49 und B. v. 17.09.2015 -2 A 9/14- NVwZ 2016, 327

https://www.bverwg.de/de/170915B2A9.14.0

3.1 Wenn die Entscheidung maßgeblich von fachspezifischen, besondere Sachkunde oder Erfahrungen voraussetzenden Wertungen bestimmt wird (BVerwGE 131, 274 = NVwZ 2009, 302)

a ) beamtenrechtl. Beurteilungen (BVerwG, NVwZ – RR 1990, 489)

b) Prüfungsentscheidungen

c) Wertungsentscheidungen durch weisungsfreie Gremien sachverständiger oder pluralistisch zusammengesetzter Art

Ein Gremium, das aufgrund seiner fachspezifischen und pluralistischen Zusammensetzung gesetzlich vermuteten Sachverstand und gesellschaftliche Repräsentanz in sich vereint .

Bejaht bei reinen Sachverständigenkommissionen, die zudem pluralistisch besetzt sind für Weinprüfungskommissionen (SV aus Weinwirtschaft, Verwaltung, Verbraucher für die sensorische Prüfung) durch BVerwG U. v. 16.5.2007 -3 C 8/06- NJW 2007, 2790 (speziell hier auch Art. 19 IV GG kein Problem, weil sich auch das Gericht eines oder mehrerer Sachverständiger bedienen müsste).

So auch jahrzehntelang die Indizierungsentscheidungen. Aufgrund BVerfG (Beschluss vom 27.11.1990 – 1 BvR 402/87 – BVerfGE 83, 130 – Josefine Mutzenbacher -) ist allerdings auch bei Jugendgefährdung eine Abwägung mit der Kunstfreiheit nötig (auch Pornografie etc. kann Kunst sein). Seit BVerwG, Urteil vom 26. November 1992 – 7 C 20/92 – BVerwGE 91, 211) galt daraufhin, dass die wertende Einschätzung eines Werkes als Kunst sowie die Beurteilung des von ihm ausgehenden schädigenden Einflusses auf Jugendliche durch die Bundesprüfstelle nur noch den „Gehalt von sachverständigen Äußerungen“ hatte, (die die widerlegt werden müssen = zu behandeln wie Fachsachverständigengutachten). Die praktische Konkordanz zwischen Jugendschutz und Kunstfreiheit sollte allerdings noch mit Beurteilungsspielraum die Prüfstelle herstellen.

Auch letzteres ist aufgegeben durch BVerwG, U. vom 30.10.2019 -BVerwGE 6 C 18.18- NJW 2020, 785 (Bushido) für den Bereich des Jugendschutzes: Klage gegen Indizierung (Eintrag in die Liste der jugendgefährdenden Medien durch die Bundesprüfstelle des Bushido Albums „Sonny Black“. Klage dagegen hatte vor dem OVG noch Erfolg, weil ein aufgrund des bestehenden Beurteilungsspielraumes bestehendes Anhörungsdefizit nicht mehr geheilt werden könne. BVerwG: Kein tragfähiger Grund für eine Letztentscheidungsbefugnis: Die Abwägung zwischen Kunstfreiheit und Jugendschutz ist nicht mehr übermäßig schwierig (Rdnr. 19).

3.2 wenn die Entscheidung Ausdruck und Ergebnis einer komplexen Abwägung verschiedener Belange ist

vgl. etwa BVerwGE 130, 39 = NVwZ 2008, 575 Rdnr. 28 ff. [zum so genannten Regulierungsermessen nach dem TKG]),

planerisch gestaltende Entscheidungen ( Bsp. Planfeststellungsbeschluss ).

dazu gehört m. E. die „naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative“, welche nach BVerwG jedenfalls derzeit für die Prüfung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände im Rahmen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsentscheidung ein behördlichen Beurteilungsspielraum darstellen soll (BVerwG. U. v. 21.11.2013 -7 C 40/11). NVwZ 2014, 524). Eine solche müsse es geben, weil die behördliche Beurteilung sich auf außerrechtliche Fragestellungen richte, für die weithin allgemein anerkannte fachwissenschaftliche Maßstäbe und standardisierte Erfassungsmethoden fehlten. Wenn und solange die ökologische Wissenschaft sich insoweit nicht als eindeutiger Erkenntnisgeber erweist, fehlt es den Gerichten an der auf besserer Erkenntnis beruhenden Befugnis, eine naturschutzfachliche Einschätzung der sachverständig beratenden Zulassungsbehörde als „falsch“ und „nicht rechtens“ zu beanstanden. Dies entspreche ständiger Rechtsprechung des BVerwG zum Planfeststellungsrecht. (die konkrete Verbotsnorm ist § 44 BNatschG [Tötungs- und Verletzungsverbot], welches

3.3 bei Verwaltungsentscheidungen, bei denen auch politische Vorgaben und Bewertungen von Bedeutung sind, etwa im Bereich der Außenpolitik (BVerwGE 62, 11 [15 f.] und BVerwG, B. vom 06.03.1997 – 3 B 178/96- Buchholz 11 Art. 32 GG Nr. 2, S. 1 [jeweils zur Gewährung von Auslandsschutz]),

Prognoseentscheidungen mit politischem Einschlag

Bsp. ministerielle Entscheidung, Tiefflüge zu Übungszwecken abzuhalten „soweit dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben zwingend notwendig ist so “ BVerwGE 97, 203

Bsp. „nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen“ im Sinne des § 3 Nr. 1 a IFG (als Ausnahme vom Informationsanspruch; vgl. zur Weigerung des Bundesverkehrsministeriums, Angaben zu Flugbewegungen –mutmaßlicher CIA-Flüge- zu geben (BVerwG U. v. 29.10.2009 -7 C 22/08 NVwZ 2010, 321 mit Besprechung JuS 2010, 843).

3.4 Wenn die Entscheidung eine prognostische Risikobewertung erfordert

(BVerwGE 72, 300 [316] = NVwZ 1986, 208 [zur Risikovorsorge im Atomrecht])

3.5 mögliche neue Fallgruppe: weil der EuGH sagt, spezifisches EU-Recht räume einen Beurteilungsspielraum ein

so jedenfalls BVerwG für den Visakodex (VO (EG) Nr. 810/2009 ) für „Zweifel an Rückkehrabsicht“ (Urt. v. 17.09-2015 -1 C 37/14 NVwZ 2016, 161).

BVerwG: EuGH differenziert nicht zwischen Ermessensausübung und B., hier aber sind Tatbestandsvoraussetzungen betroffen, deshalb echter Beurteilungsspielraum. Überprüfung: Danach wird die Ausübung eines Beurteilungsspielraums auf der Tatbestandsseite nur darauf überprüft, ob die Behörde die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten hat, von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen ist, den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat und sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt hat .

4. Überprüfungspunkte (vereinfachend und vereinheitlichend)

4.1 Einhaltung des Verfahrens bzw. keine Verfahrensfehler (z. B. BVerwGE 99, 74, 77 Prüfr., Legitimation durch Verfahren bei den Großverfahren/Stichwort Grundrechtsschutz durch Verfahren)

4.2 richtige Rechtsanwendung/Keine Verkennung des anzuwendenden Begriffes bzw. gesetzlichen Rahmens (Bsp. Art. 33 I; dazu Prüfungsrecht: bei der Korrektur vertretbares nicht als falsch anzusehen;

4.3 Zugrundlegung des richtigen Sachverhaltes

4.4 Beachtung der allgemeingültigen Wertmaßstäbe

4.5 keine sachfremden Erwägungen = Willkürverbot

weitere Beispiele:

Grundschulempfehlung

OVG Münster, Beschluss vom 24. 8. 2007 – 19 B 689/07 NVwZ-RR 2008, 208 zur Grundschulempfehlung (Empfehlung der Grundschule zu Gymnasiumseignung) (Empfehlung des Grundschule zu Gymnasiumseignung) als Beurteilungsspielraum mit umfangreichen Ausführungen, ob sich Eilantrag erledigt durch nachfolgenden Nichtzulassungsentscheidung des Schulamtes nach negativem Prognoseunterricht und zur Frage 123 oder 80V

Noch Beurteilungsspielraum bzw. Prognose und noch nicht Restrisiko:

BVerwG Urt. v. 22. 3. 2012 7 C 1/11 NVwZ 2012, 750 Klage gegen atomrechtliche Genehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen

Beurteilungsspielraum (und nicht nur Prognose für polizeiliche Gefahrenabwehr): Sicherheitsüberprüfung nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz

BVerwG:Beschl. v. 17.9.2015 – 2 A 9/14, NVwZ 2016, 327, Bespr. JuS 2016, 860,

Fragen entziehen sich oft einer Beweiserhebung durch Sachverständige

Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes (Sicherheitsüberprüfungsgesetz – SÜG)

§ 5 Sicherheitsrisiken, sicherheitserhebliche Erkenntnisse

(1) Im Sinne dieses Gesetzes liegt ein Sicherheitsrisiko vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte 1.

Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen oder

2.eine besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste, insbesondere die Besorgnis der Erpreßbarkeit, begründen oder

3.Zweifel am Bekenntnis des Betroffenen zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung begründen.

Ein Sicherheitsrisiko kann auch auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte zur Person des Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten vorliegen.

(2) Eine Erkenntnis ist sicherheitserheblich, wenn sich aus ihr ein Anhaltspunkt für ein Sicherheitsrisiko ergibt.

§ 14 Abschluß der Sicherheitsüberprüfung

(,,)

(3) Die zuständige Stelle entscheidet, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt, das der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit des Betroffenen entgegensteht.Die Bewertung der übermittelten Erkenntnisse erfolgt auf Grund einer am Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalles, insbesondere im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit. Im Zweifel hat das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen. § 6 Abs. 1 und 2 ist zu beachten.

(4).

Kein Beurteilungsspielraum: gesundheitliche Eignung des Beamtenbewerbers

sondern voll überprüfbare Prognose (BVerwG, Urt. v. 25.07.2013 2 C 12/11 -NVwZ 2014, 300 in Aufgabe früherer RS)

Kein Beurteilungsspielraum: „ethische Vertretbarkeit“ von Tierversuchen,

§ 7a II Nr. 3 TierSchG (n. F. ab Juli 2013; § 7 III TierschG a. F.:

so BVerwG, B. v. 20.01.2014 -3 B 29/13- NVwZ 2014, 450. Die Frage können die Fachgerichte klären.

Ähnliche Materie:

BVerfG, Beschl. v. 31. 5. 2011 -1 BvR 857/07. Leitsatz 5, NVwZ 2011, 1062 mit Bespr. JuS 2012, 189)

Investionszulagengesetz verweist für Subventionseinzelheiten (nur bestimmte sollen gefördert werden, beispielsweise „verarbeitendes Gewerbe“) auf die „ Klassifikation der Wirtschaftszweige“ durch das Statistische Bundesamt.

Nach BVerfG ist so ein Verweis nur mit Art. 19 IV GG vereinbar als Verfahrensstufe in Form bindender Vorentscheidungen, die durch den Angriff gegen die Endentscheidung nicht mehr oder nur eingeschränkt einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann, sofern – erstens – sich die Bindung einer Behörde an vorangehende Feststellungen oder Entscheidungen einer anderen Behörde hinreichend klar aus dem Gesetz ergibt, – zweitens – gegen die mit Bindungswirkung ausgestattete Teil- oder Vorentscheidung ihrerseits effektiver Rechtsschutz zur Verfügung steht und – drittens – die Aufspaltung des Rechtsschutzes mit einer etwaigen Anfechtungslast gegenüber der Vorentscheidung für den Bürger deutlich erkennbar und nicht mit unzumutbaren Risiken und Lasten verbunden ist .

Erledigung und Erledigungserklärung

I. materiell: Wann liegt Erledigung vor?

Faustformel: Erledigung liegt vor, wenn die Aufhebung des VA sinnlos geworden ist);

Legaldefinition für Erledigung in § 43 II VwVfG

bei akzessorischen Verwaltungsakten: (Nur), wenn der weitere VA mit Erledigung des Haupt-VA akzessorisch verbunden ist, da heißt sachlogisch zwingend dessen Schicksal teilt (Bsp.: BVerwG, Urt. v.15.11.1990 – 3 C 49/87 –: Zwangsmittelandrohung als Teil des Bescheides).

Nicht hingegen die bereits erfolgte Zwangsgeldfestsetzung (OVG Magdeburg, Urt: v. 23.10.2019 -2 L 51/17- LKV 2020, 85

Bei normativer Koppelung:

Mit Wegfall einer Tatbestandsvoraussetzung:

Bsp. Wohnsitzauflage für Ausländer nach Erlangung eines Aufenthaltsrechts:

§ 61 Id AufenthG setzt für die gesetzlich angeordneten Wohnsitzauflage voraus, dass der Ausländer vollziehbar ausreisepflichtig ist. Liegt der Tatbestand der Wohnsitzauflage nicht mehr vor, erlischt diese nach § 43 II VwVfG auf andere Weise (OVG Greifswald, B. vom 26. Januar 2021 – 2 M 622/20 OVG- NordÖr 2021, 225; § 61 Id AufenthaltG: „Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, ist verpflichtet, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Soweit die Ausländerbehörde nichts anderes angeordnet hat, ist das der Wohnort, an dem der Ausländer zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gewohnt hat. Die Ausländerbehörde kann die Wohnsitzauflage von Amts wegen oder auf Antrag des Ausländers ändern; hierbei sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht zu berücksichtigen.Der Ausländer kann den durch die Wohnsitzauflage festgelegten Ort ohne Erlaubnis vorübergehend verlassen.“).

nach Vollziehung: wenn diese nicht rückgängig gemacht werden kann (arg. ex § 112 I 2 VwGO. Es sei denn (dann doch keine Erledigung): wenn noch negative Folgen bleiben, so zum Beispiel BVerwG, u. v. 25.09.2009 (-7 C 5/08- NVwZ 2009, 122 mit Bespr. JuS 2009, 368) : keine Erledigung, solange VA noch Grundlage der Vollstreckung ist (im konkreten Fall hätte der Betroffene nicht den Widerspruch gegen den Grund-VA zurücknehmen dürfen und konnte seine Einwendungen nicht im Verfahren gegen den Ersatzvornahmekostenbescheid geltend machen), zum Teil als „erweiterte Titelfunktion“ bezeichnet. Problem: Muss Rechtsmittelbelehrung darauf eingehen?.

Gegenauffassungen gibt es auch (vgl. den wenig einleuchtenden Aufsatz Jäckel NVwZ 2014, 1625

weiteres Bsp. BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 – 1 C 11/15. NVwZ 2017, 1064:

Eine Abschiebungsanordnung erledigt sich nicht mit dem Vollzug der Abschiebung. Erledigung tritt ein, wenn die Steuerungsfunktion, die dem VA ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist. Von einer Abschiebungsanordnung gehen auch nach dem Vollzug noch rechtliche Wirkungen aus. Denn die Verfügung bildet die Grundlage für den Leistungsbescheid über die Erhebung von Abschiebungskosten.

Aktueller Fall:

OVG Greifswald, B. v.19.10.2020 -3 M 303/20– NordÖR 2021, 178:

Eine baurechtliche Beseitigungsverfügung für eine Werbeanlage erledigt sich nicht durch die einmalige Entfernung der Anlage, weil die Anordnung der Beseitigung leicht auf- und abbaubarer baulicher Anlagen auch ein Verbot der Wiedererrichtung umfasst.

II. prozessual

1. übereinstimmende Erledigungserklärung:

wohl überwiegende Praxis in Berlin: Nur Kostenentscheidung nach § 162 II, III VwGO. Kein Verfahrenseinstellungsausspruch. Dieser ist aber woanders gängige Praxis, auch BVerwG und vereinzelt auch beim VG Berlin.

§ 161 II 2 VwGO: Zustimmungsfiktion, wenn Beklagter nicht zustimmt

2. einseitige: einseitige Erledigungserklärung:

2.1. prozessual: zulässige Klageänderung in Feststellungsklage (unabhängig von §§ 91, 142 VwGO, BVerwGE 34, 159)

2.2. TBV für Erfolg der Feststellungsklage : Erledigung

s.o.

knappe Zusammenfassung hierzu: BVerwG B. v. 23.07.2014 -6 B 1/14- NVwZ 2014, 1594

3. hM im Regelfall keine Voraussetzung Begründetheit der Klage bis zur Erledigung; wohl auch hM nicht einmal Zulässigkeit der Klage.

4. Ausnahmefall Berechtigtes Interesse des Beklagten wie FFK

5. Die Erledigungserklärung kann bis zur Zustimmung widerrufen werden.