Zustellungsfragen

Vgl. neben Kopp/Ramsauer zu § 41 VwVfG auch Kopp/Schenke § 56 Rdnr. 8

BVerwG NJW 2001, 458: Das Einwurfeinschreiben genügt nicht den Anforderungen an die förmliche Zustellung, kein Einschreiben i. S. d. § 2 VwZG, auch keine Zustellungsfiktion in § 4 VwZG

Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten § 3 II 1 VwZG i. V. m. § 180 ZPO:

Die Beweiskraft der PZU umfasst nur den tatsächlichen Einwurf in den Briefkasten (mit entsprechendem Namen versehen), nicht aber, dass der Empfänger dort zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch wohnt (OVG Magdeburg, B. v. 19.06.2018 – 3 M 227/18 – LKV 2019, 88 mit Bezugnahme auf VGH München, B. 12.12.2017 – 11 Cs 17.2098).

Ersatzzustellung nach § 180 ZPO in Briefkasten des Rechtsanwaltes auch außerhalb dessen Geschäftszeiten möglich, so BVerwG, B. v. 2.8.2007 -2 B 20/07- NJW 2007, 3222: Wortlaut eindeutig, Zweck der Vorschrift, Niederlegungen zu vermeiden und Zustellungsscheitern zu vermeiden, wenn das Geschäftslokal geschlossen ist).

Geschäftsräume = die dem Publikum zugänglichen Räume in denen eine geschäftliche Tätigkeit der juristischen Person ausgeübt wird (also dorthin, wo der Briefträger wie Publikum hinkommt), so OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 23. 12. 2011 − 1 N 2/10- NJW 2012, 951

Str.: Ist es zwingendes Zustellerfordernis (mit der Konsequenz, § 8 VwZG bei Mängeln anzuwenden), die Regelung des § 180 S. 3 ZPO einzuhalten, die den Zusteller bei der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten dazu verpflichtet, auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks einen Vermerk über das Datum der Zustellung anzubringen? Gehört diese Regelung also zu den zwingenden Zustellungsvorschriften i. S. des (mit § 8 Alt 1 VwZG inhaltsgleichen) § 189 ZPO (so BFHE 235, 255)?. Oder sieht man in § 180 S. 3 ZPO keine zwingende Zustellungsvorschrift, weil dem darin vorgesehenen Vermerk lediglich die Funktion zukommt, dem Empfänger der Sendung nachrichtlich das Zustellungsdatum zur Kenntnis zu bringen (VGH München, Beschl. v. 31. 1. 2011 – 4 ZB 10.3088). Dann gilt aufgrund der vollen Beweiskraft der Urkunde (§ 418 I ZPO) diese; der Gegenbeweis nach § 418 II ZPO ist aber zulässig und kann etwa durch Vernehmung des Zustellers geführt werden.

Vorzeigen der EGVP-Eingangsbestätigung des Gerichtes gibt Beweis des ersten Anscheins der tatsächlichen Übermittlung an diesem Tage, auch wenn Dokument selbst nicht (mehr) auf dem Gerichtsserver ist

(VGH Kassel, B. v. 26.9.2017 – 5 A 1193/17 NJW 2018, 417)

Heilung bei Zustellung durch E-Mail mit Signatur gegen EB (§ 5 V VwZG):

Heilung tritt dann nur ein bei Zurücksendung des EB, § 8, 2. Hs VwZG:

aber VG Ansbach U. v. 30.5.2007 -11 K 06/06.2455 und 06.2456-NVwZ 2008, 237 Heilung dann doch bei Widerspruch ohne Zustellungsmangelrüge (Im Urteil auch Ffk, Beliehener, ganz kurze Fristen bei Vollstreckungsandrohung und Grundrechte, Thema Abhol- und Bereitstellungsanordnung an Elektrogerätehersteller).

Schöner Fall mit Diskussion, wann sich ein Empfänger nicht auf eine fehlerhafter Zustellung berufen kann und mit dem Leitsatz, dass eine unterbliebene Zustellung (konkret: Allgemeinverfügung, die nur öffentlich bekannt gegeben wurde) nicht nach § 8 VwZG geheilt sein kann: OVG Münster B. v. 24.7.2007 -13 B 950/07- NVwZ-RR 2008, 294:

Die Ag. untersagte mit – nicht individuell zugestellter – Allgemeinverfügung vom 22. 5. 2006 die Werbung für Sportwetten, die nicht von der WestLotto angeboten werden, im Internet auf der Homepage eines Inhaltsanbieters mit Sitz in Nordrhein-Westfalen. Der Sofortvollzug wurde angeordnet und es wurde für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 2000 Euro angedroht. Mit Verfügung vom 19. 7. 2006 wurde gegen die Ast. wegen Verstoßes gegen die Allgemeinverfügung ein Zwangsgeld in Höhe von 2000 Euro festgesetzt und ein weiteres Zwangsgeld angedroht. Der hiergegen gerichtete Antrag der Ast. auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hatte Erfolg.

Spezialnorm für verweigerte Annahmen: § 179 ZPO.

Das Schriftstück ist in der Wohnung bzw. den Geschäftsräumen zurückzulassen (S. 1), ansonsten zurückzusenden (S. 2). Mit der Annahmeverweigerung gilt das Schriftstück als zugestellt (S.3).

VGH München, Beschl. v. 16. 12. 2011− 22 ZB 11.2637- NJW 2012,950:

Die Zustellungsfiktion gilt auch, wenn der Adressat dem Zusteller wahrheitswidrig vorspiegelt, er wohne an der Zustellanschrift gar nicht, worauf hin dieser nach S. 2 statt nach S. 1 verfährt (Argument: treuwidriges Verhalten, Pflicht zur wahrheitsgemäßen Auskunft über Wohnsituation). VGH: die danach nochmals erfolgte Zustellung hat die Frist nicht nochmals ausgelöst. Das Vertrauen in den Fristbeginn durch die zweite Zustellung ist auch nicht unverschuldet iS einer Wiedereinsetzung

Strenge Anforderungen bei öffentlicher Zustellung:

Beispiel für die Nachforschungspflichten und die Anforderungen an den Aushang des Schriftstückes: OVG Hamburg NVwZ-RR 2001, 270, 271f: Nachfrage bei Mutter des Adressaten wäre nötig gewesen,

Bei öffentlicher Zustellung hat die Behörde die Pflicht, den VA und seine Bekanntgabe „unter Kontrolle zu halten“ und nicht mehr an öffentlicher Zustellung festzuhalten, wenn ihr später die Anschrift doch bekannt wird (VGH Mannheim, B. v. 23.04.2008 -13 S 783/08 mit weiteren Nachweisen NJW 2008, 2519f)

prozessuales:

OVG Magdeburg B. v. 2. 8. 2012 – 2 M 58/12-NVwZ-RR 2013, 85:

Antrag nach § 80 V VwGO bei Zweifel über die Verfristung des Widerspruchs jedenfalls zulässig.

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