Klassisches Polizeirecht: Gefahr für die Öffentliche Ordnung durch Hissen der Reichsflagge?

Ermessensausfall

OVG Münster, B. v. 01.03.2023 -5 B 167/23 NVwZ-RR 2023, 952

VG Arnsberg, B. v. 14.02.2023 – 6 L 159/23

Die Stadt Hilchenbach (S, Antragsgegnerin) erlässt am 07.02.23 eine Ordnungsverfügung samt Sofortvollzugsanordnung und Ersatzvornahme-Androhung, mit der dem Antragsteller (A), einem Vertreter der Partei „Dritter Weg“, die Entfernung der Reichsflagge von dem Gebäude aufgegeben wird, in dem sich ein Parteibüro befindet.

Das VG Arnsberg lehnte den § 80 V-VwGO-Antrag ab. Das OVG hob den Beschluss auf und gab statt:

Das VG hat das formelle Begründungserfordernis des § 80 III 1 VwGO für eingehalten erachtet.

In der Sache hat es die Erfolgschancen der Klage gegen die Verfügung als offen anzusehen. Rechtsgrundlage sei die polizeiliche Generalklausel in § 14 I OBG NRW („Die Ordnungsbehörden können die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung [Gefahr] abzuwehren“). Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung liege vor. Fraglich sei aber, ob die S das ihr eingeräumte Ermessen ausgeübt habe. Auch sei es nicht möglich, die Verhältnismäßigkeit zu überprüfen, insbesondere, inwieweit die durch die Verfügung geschützten Rechtsgüter einen Eingriff in die Meinungsfreiheit aus Art. 5 I GG rechtfertigten. Bei derzeit offenen Erfolgsaussichten der Klage gehe die erfolgsunabhängige Interessenabwägung zu Lasten des A aus, weil dieser nichts dafür vorgetragen habe, weshalb gerade das Zeigen der Reichsflagge zusätzlich zu den sonstigen ohnehin an dem Gebäude zur Schau gestellten Fahnen, Bannern und Plakaten gerade aktuell eine besondere Bedeutung und Dringlichkeit habe.

Das OVG hat es im Ergebnis offen gelassen, ob eine Gefahr für die öffentliche Ordnung vorliege, ob also die Gesamtheit jener ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit verletzt wird, deren Beachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen Gemeinschaftslebens betrachtet werde. Bei der Beurteilung konkreten Verhaltens könnten dabei Wertungen des Gesetzgebers aus einschlägigen Normen herangezogen werden. Das Zeigen der Reichsflagge reiche danach für sich genommen nicht. Nach der Rechtsprechung könne sich eine Gefahr jedoch aus dem Gesamtkontext der Verwendung der Flagge ergeben, wenn diese so verstanden werden kann, dass zu Einschüchterung, Diskriminierung und Gewalt gegenüber den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländern aufgerufen werde. Die entsprechenden Umstände müssten wohl deutlicher hervortreten als beim Zeigen der Reichskriegsflagge, wo u. U. bereits von einer Verwirklichung einer Straftat nach § 130 I Nr. 1 StGB (und damit einem Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit) ausgegangen werden könne.

Im Gegensatz zum VG geht das OVG von einem Ermessensfehler durch Ermessensnichtgebrauch auch. Denn der Ermessensspielraum sei nicht auf Null reduziert gewesen. Auch sei die S nicht einer tatsächlich zwingenden Vorgabe einer ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift gefolgt. Es fehlten vielmehr ermessenbegründende Ausführungen. Eine Ermessensausübung liege auch nicht – wie vom VG angenommen – in der Bezugnahme auf den einschlägigen Erlass des Innenministeriums. Dieser sehe in, dass die Ordnungsbehörden bei Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Ordnung „gehalten“ seien, „im Rahmen der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens bezogen auf den jeweiligen Einzelfall das Zeigen oder Verwenden der Reichs(kriegs)flaggen in der Öffentlichkeit auf der Grundlage der hierfür einschlägigen gesetzlichen Regelungen zu unterbinden“. Trotz der missverständlichen Formulierung („gehalten“) solle eine Ermessensentscheidung im Einzelfall erfolgen. Dies führt das OVG näher aus. Eine strikte Bindung ohne Möglichkeit der Berücksichtigung der etwaigen Besonderheiten des Einzelfalls sei wohl u. a. auch im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG nicht rechtmäßig.

Angesprochen werden vom VG auch die fehlende Anhörung (jedenfalls geheilt) und der Einwand, die S hätte zivilrechtlich gegen die A vorgehen müssen, weil ein Miet- oder Nutzungsrechtsverhältnis zwischen den Parteien besteht. Die S wolle allerdings nicht mittels VA zivilrechtliche Ansprüche durchsetzen, sondern eine Gefahr nach § 14 I OBG NRW abwenden. Die Ersatzvornahmen-Androhung sei in Ordnung, insbesondere habe die S das richtige Zwangsmittel ausgewählt und hätte nicht ein Zwangsgeld androhen müssen, weil der A deutlich gemacht habe, die Flagge weiter zu hissen.

Kann eine Gemeinde gegen den ihren Ablehnungsbescheid aufhebenden Widerspruchsbescheid klagen?

Vorliegen einer Gefahr

VG Weimar, U. v. 03.05.2022 -7 K 1050/20 WE– NVwZ-RR 2022, 808:

Die später Beigeladenen B beantragten eine Fällgenehmigung für eine auf ihrem Grundstück in Erfurt wachsende Schwarznuss. Dies lehnte die Stadt Erfurt mit Bescheid vom 25.10.2018 ab, weil kein Fällgrund bestehe, also keiner der Ausnahmen nach § 6 ihrer Baumschutzsatzung (BaumSchG) vom Fällverbot des § 5 BaumSchG vorliege. Auf den Widerspruch eines der B hin hob der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.2020 die Ablehnung auf und verpflichtete die Stadt, die Fällgenehmigung zu erteilen, weil der Baum aufgrund einer nahen Gasleitung eine abstrakte Gefahr für Personen und Sachen von bedeutendem Wert sei. Die Klage der Stadt isoliert gegen den Widerspruchsbescheid hat Erfolg:

Sie sei als isolierte Anfechtungsklage i. S. d. § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaft. Die Aufhebung des Ausgangsbescheides und die Verpflichtung der Klägerin zur Erteilung der Fällgenehmigung stelle eine erstmalige Beschwer dar.

Grundsätzlich sei eine Kommune als Erstbehörde nicht klagebefugt, wenn die Widerspruchsbehörde diesen aufhebe, nämlich immer dann, wenn die Kommune eine staatliche Aufgabe wahrnehme. Anderes gelte nur bei der Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides als letzter Behördenentscheidung seien die Ausführung und der Vollzug der Baumschutzsatzungen sind Aufgaben im eigenen Wirkungskreis der Kommunen, § 14 Abs. 1 ThürNatG.

In der Sache liege der einzig in Betracht kommende Ausnahme-Fall des § 6 Abs. 1 Nr. 3 BaumSchS nicht vor. Danach kann eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden, wenn von dem Baum eine Gefahr für Personen oder Sachen von bedeutendem Wert ausgeht und die Gefahr nicht auf andere Weise mit zumutbaren Aufwand beseitigt werden kann. Dafür sei nämlich eine „echte“ Gefahr nötig, das heißt konkrete Anhaltspunkte für einen Schaden und nicht nur eine abstrakte (dies wird ausgeführt).

Unzulässige Baunachbarklage gegen Gemeinde, VGH München, B. v. 06.12.2021

 

VGH München, B. v. 06.12.2021 -9 ZB 18.782NVwZ-RR 2022, 209

VG Würzburg, U. v. 22.02.2018 – W 5 K 16.794

Unzulässige Baunachbarklage gegen die Gemeinde

Die Kläger (K) wenden sich als gegen ein Bauvorhaben des Beigeladenen. Ihre Klage richtet sich aber nicht gegen den Freistaat als Rechtsträger der zuständigen Baubehörde (Landratsamt), sondern gegen die Gemeinde. Es gibt keine Baugenehmigung für das Bauvorhaben des Beigeladenen, dieser hat nur eine Bauvorlage im Genehmigungsfreistellungsverfahren für die Errichtung einer Halle eingereicht. Mit Schreiben vom 4. Juli teilt die Beklagte (B) dem Beigeladenen unter Bezugnahme auf Art. 58 BayBO mit, dass für sein Bauvorhaben kein Genehmigungsverfahren durchgeführt werden solle. Sie mache von ihrem Prüfungsrecht keinen Gebrauch und beantrage keine Untersagung nach § 15 I 2 BauGB. Sie übersendet das Schreiben auch an die K. Das Begleitschreiben bezeichnete es als Bescheid und enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung. Das Landratsamt Würzburg teilt den K mit Schreiben vom 29.Juli mit, dass das Genehmigungsfreistellungsverfahren zurzeit aus baurechtlicher Sicht nicht ausführbar sei und somit für das Baugrundstück aktuell kein Baurecht bestehe. Am 2. August erheben die Kläger Klage und beantragen, 1.) den Bescheid der B aufzuheben und 2.) die B zu verurteilen, dem Beigeladenen die Baugenehmigung für einen Neubau einer Halle (…) zu versagen. Die Klage sei aufgrund der RMB erforderlich.

VG und VGH halten beide Klageanträge für unzulässig.

Der erste Antrag sei als Anfechtungsklage nicht statthaft, es fehle an einem Verwaltungsakt. Die Erklärung der Gemeinde nach (dem jetzigen) Art. 58 II Nr. 5 BayBO sei kein VA, sondern eine schlichte Verfahrenshandlung (Realakt). Erkläre die Gemeinde, ein Baugenehmigungsverfahren nicht zu verlangen, liege darin nur eines der Tatbestandsmerkmale für eine Genehmigungsfreistellung. Der Bauherr könne nur zu einem (noch) früheren Zeitpunkt mit seinem Bauvorhaben beginnen (vgl. Art. 58 III 5 und 5 BayBO). Es werde nichts bindend festgestellt. Aus der Bezeichnung des Schreibens als Bescheid und der Rechtsbehelfsbelehrung folge nichts Anderes. Daraus könne aus Empfängersicht allenfalls abgeleitet werden, dass der Rechtsweg eröffnet sei. Eine Anfechtung der Freistellungserklärung sei aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes nicht erforderlich, weil die K auch ohne die Möglichkeit, die Mitteilung der Gemeinde vom 4. Juli 2016 anfechten zu können, gegenüber dem Vorhaben des Beigeladenen nicht rechtlos gestellt seien. Sie könnten bei der Bauaufsichtsbehörde einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten stellen und dann später dann soweit nötig Rechtsweg beschreiten.

Eine Erklärung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG , die nach der Rechtsprechung des BVerwG einen Verwaltungsakt darstelle, betreffe den anders gelagerten Fall, dass die zuständige Behörde feststelle, dass die geplante Änderung einer Anlage keiner förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Auch sei diese Norm gar nicht nachbarschützend.

Eine Umdeutung in ein Verpflichtungsbegehren auf bauaufsichtliches Einschreiten scheide aus, weil ein solches gegen den Träger der Bauaufsichtsbehörde zu richten wäre.

Dem 2. Klageantrag fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil die K keine Verbesserung ihrer Rechtslage erreichen könnten. Zulässigkeit unterstellt, würde sich die Klage auch gegen den falschen Beklagten richten.

Die K müssten die Kosten voll tragen. Von § 155 Abs. 4 VwGO sei nach Ausübung gerichtlichen Ermessens kein Gebrauch zu machen, obwohl eine vorprozessual erteilte falsche Rechtsbehelfsbelehrung ein Beteiligtenverschulden im Sinne dieser Vorschrift sein könne. Die K hätten allerdings das KIageverfahren auch nach entsprechenden gerichtlichen Hinweisen fortgesetzt.

Erfolgreicher Antrag nach § 80 VII 2 VwGO: VG Berlin, B. v. 6.10.2021

Erfolgreicher Antrag nach § 80 VII 2 VwGO:

VG Berlin, B. v. 6.10.2021 – VG 11 L 291/21- ZUR 2022, 112

Das Bezirksamt hatte mit einer „Anhörung/Anordnung gemäß § 45 Straßenverkehrs-Ordnung“ in einer Straße in Berlin Friedrichshain die Kennzeichnung einer Fußgängerzone (Zeichen 242.1 und 242.2) an. Ferner sollte die Fußgängerzone mit „Radverkehr frei“ ausgeschildert werden. Es wurden Zeichen 283-10 und 283-20 (Absolutes Haltverbot) angeordnet und sodann aufgestellt, zusätzlich das Zeichen 250 (Durchfahrtsverbot für Fahrzeuge aller Art). Die Antragsgegner –Eigentümer bzw. Anwohner eines Hauses an der Straße legten Widerspruch gegen die Sperrung für den öffentlichen Durchgangsverkehr durch Personen- und Lastkraftwagen ein, über den noch nicht entschieden ist. Das VG ordnete rechtskräftig mit Beschluss vom 28. Juni 2021 (VG 11 L 164/21) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an und verpflichtete den Antragsteller zu Entfernung der Verkehrszeichen 250, 242.1, 283.10 und 283.20, der errichteten Poller sowie der Absperrungen (bestätigt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 9. September 2021 (OVG 1 S 97/21).

Nunmehr hat das Bezirksamt –nach vorangegangener bloßer Ankündigung- die straßenrechtliche Teileinziehung aufgrund § 4 I BerlStrG des betroffenen Straßenabschnitts und deren Vollziehbarkeit verfügt und diese Allgemeinverfügung im Amtsblatt von Berlin veröffentlicht.

Nach Auffassung des VG führt diese Änderung der Sach- und Rechtslage im Sinne des § 80 VII VwGO dazu, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung nunmehr überwiegt. Es bestünden nunmehr keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes.

Rechtsgrundlage sei § 45 I b 1 Nr. 3, 1. Alt., 2 StVO. Hiernach treffen die Straßenverkehrsbehörden die notwendigen Anordnungen zur Kennzeichnung von Fußgängerbereichen und ordnen die Kennzeichnung von Fußgängerbereichen im Einvernehmen mit der Gemeinde an.

Die Voraussetzungen für die Kennzeichnung eines Fußgängerbereichs lägen nunmehr vor.

Das gemeindliche Einvernehmen in diesem Sinne sei entbehrlich. Die Grundsätze zu § 36 BauGB zur Identität von Baugenehmigungsbehörde und Gemeinde selbst bei unterschiedlich Organen seien übertragbar. Auf die Rechtmäßigkeit der Teileinziehung komme es angesichts deren sofortiger Vollziehbarkeit nicht an. Überdies sei eine Verletzung des Eigentumsrechts aus Art. 14 GG nicht ersichtlich, das nur über § 10 III BerlStrG (Anliegergebrauch) geschützt sei. Aus § 4 I 3 BerlStrG („Von der Möglichkeit der Teileinziehung soll insbesondere dann Gebrauch gemacht werden, wenn zur Realisierung von Maßnahmen der Verkehrslenkung und Verkehrsberuhigung bestimmte Verkehrsarten auf Dauer von dem durch die Widmung der Verkehrsfläche festgelegten verkehrsüblichen Gemeingebrauch ausgeschlossen werden sollen.“) folge kein subjektives Recht.

Zwangsvollstreckung: Durchsetzung einer bauordnungsrechtlichen Verfügung -OVG Münster, B. v. 27.09.2021

 

OVG Münster, B. v. 27.09.2021 – 2 B 1299/21-, NVwZ-RR 2022, 125:

Zwangsvollstreckung: Durchsetzung einer bauordnungsrechtlichen Verfügung; Auslegung einer Erledigungserklärung als rein prozessual:

Gegen die Antragsteller war am 31. 07.2018 eine Ordnungsverfügung ergangen, mit welcher die Nutzung einer Wohnung untersagt wurde, weil eine Baugenehmigung fehle. Gleichzeitig wurde ein Zwangsgeld angedroht. In der Sache war das Gebäude abweichend von der ursprünglichen Baugenehmigung errichtet worden. Später dann wurde auf dem Nachbargrundstück eine Abstandsflächenbaulast eingetragen und am 13.06.2019 eine Baugenehmigung mit Nebenbestimmungen erteilt. Im Klageverfahren gegen den Bescheid erklärten die Antragsteller daraufhin im August 2019 den Rechtsstreit für erledigt, die Baubehörde schloss sich dem im Oktober 2020 an. In ihrem § 80 V-VwGO-Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den nunmehr ergangenen Zwangsgeldfestsetzungsbescheid vom 18.02.2021 wenden die Antragsteller ein, die Nutzungsuntersagung hätte sich durch die Baulasteintragung und die Baugenehmigung erledigt, jedenfalls durch die übereinstimmende Erledigungserklärung. Auch hätte das Zwangsgeld nochmals angedroht werden müssen und das Zwangsgeld nicht einfach nach zweieinhalb Jahren verhängt werden dürfen. Der Antrag ist erfolglos geblieben.

Nach Auffassung des OVG war die Wohnnutzung auch nach der Baulasteintragung und der (zweiten) Baugenehmigung bereits weiterhin formell illegal, weil nach § 84 VIII NRWBauO die Aufnahme der Nutzung nicht bereits mit der Baugenehmigung erlaube, sondern erst mit der ordnungsgemäßen Fertigstellung (vgl. § 84 VIII 1 NRWBauO: „Anlagen im Sinne des Absatzes 1 dürfen erst benutzt werden, wenn sie ordnungsgemäß fertig gestellt und sicher benutzbar sind, frühestens jedoch eine Woche nach dem in der Anzeige nach Absatz 2 genannten Zeitpunkt der Fertigstellung.“). Eine der Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung wiederholte dies sogar ausdrücklich. Eine weitere Nebenbestimmung mit Anforderungen an ein Treppenhaus sei zudem noch nicht erfüllt.

Der Anschluss an die klägerische Erledigungserklärung sei nach dem Erklärungsinhalt eine rein prozessuale Erklärung gewesen. Das OVG folgt der gängigen Rechtsprechung: Diese sei auch geboten gewesen, da die Behörde kein berechtigtes Interesse an der alleine noch möglichen Feststellung, dass Erledigung nicht eingetreten sei. Eine Erklärung, dass sich die Nutzungsuntersagung selbst erledigt habe, sei damit nicht verbunden gewesen.

Das Ermessen, nunmehr noch ein Zwangsgeld festzusetzen, sei rechtsfehlerfrei ausgeübt worden. Eine Verwirkung liege nicht vor: Die Verzögerung läge an wiederholten Versuchen der Antragsteller, einen formal legalen Zustand herbeizuführen. Es gebe keine Anzeichen für eine aktive Duldung der rechtswidrigen Nutzung.

OVG Münster, B. v. 27.9.2021