Bekanntgabe u. Zustellung sind zu unterscheiden:
Bekanntgabe § 41 VwVfG, mit welcher der VA wirksam wird, § 43 VwVfG. und
(förmliche) Zustellung nach dem VwZG bzw. § 5 I VwVfG Bln i. V. m. VwZG.
Bekanntgabe:
BVerwG NJW 94, 2633 f:
Bekanntgabe erfolgt (§ 41 I VwVfG) wenn die Behörde dem Adressaten willentlich Kenntnis verschafft (im konkreten Fall war der Empfänger zunächst geschäftsunfähig).
Das kann im Einzelfall auch erst nach Jahren sein, vgl. BVerwG, Urt. v. 22.1.2021 – 6 C 26/19, NVwZ 2021, 896: über 12 Jahre (für den Fall einer mangels Erfüllung der Voraussetzungen sowohl des § 41 III 1 VwVfG wie des § 41 III 2 VwVfG unwirksamen öffentlichen Bekanntgabe eines schriftlichen Verwaltungsaktes) Die Bekanntgabe erfolgt (aber) durch Akteneinsicht in den vollständigen Text des VA, weil eine unwirksame öffentliche Bekanntgabe als notwendige Dokumentation des behördlichen Bekanntgabewillens gelten kann, weil die Behörde dadurch zum Ausdruck gebracht hat, dass der Verwaltungsakt gegenüber jedem, den er angeht, wirksam werden sollte (Rdnr. 45).
BVerwG BayVBl 1998, 374f:
Bekanntgabe an den VA Adressaten genügt, auch wenn er einen Bevollmächtigten hatte
(§ 41 I VwVfG verdrängt als Sondervorschrift den § 14 III VwVfG)
Bekanntgabe bei Verkehrszeichen →extra
Jahresfrist § 58 II VwGO analog bei fehlender Bekanntgabe→extra
Zugangsfiktion § 41 II 1 VwVfG
hM schon Fiktion an sich, allerdings:
was kann man als vermeintlicher Adressat anders machen als Zugang zu bestreiten? (Vgl. Kopp/Ramsauer § 41 Rdnr. 40b „hinreichende Plausibilität der Behauptung“ schon nötig, substantiiertes Vorbringen eines atypischen Geschehensablaufs).
VGH München, Urt. v. 24. 11. 2011 – 20 B 11.1659, NVwZ-RR 2013, 169 :
Schlichtes Bestreiten des Zugangs genügt grundsätzlich, weil ein Abgabeschuldner gar nichts dazu vortragen kann, warum ihn ein Schreiben nicht erreicht hat. Der Abgabegläubiger hat den Zugang des mit einfacher Post versandten Abgabenbescheides nachzuweisen. Der Nachweis eines entsprechenden Postausgangs beim Abgabegläubiger genügt nicht.
In Ausnahmefällen kann aus bestimmten Verhaltensweisen des Abgabeschuldners auf eine Zugangsvereitelung und auf Verstöße gegen Mitwirkungspflichten des Empfängers geschlossen werden (VGH prüft Indizien aus späterem Verhalten).
Eine unwirksame Bekanntgabe eines Abgabenbescheides kann im Widerspruchsverfahren geheilt werden, wenn der Widerspruchsbescheid den Widerspruch des Abgabeschuldners als unbegründet zurückweist (so Obiter-dicta Leitsatz, im konkreten Fall keine Heilung, weil der Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen wurde, was richtig sei, wenn der Bescheid noch nicht zugegangen ist.
Richtige Klageart nach VGH: Feststellungsklage, dass mangels Bekanntgabe der VA unwirksam sei.
Ähnlich OVG Bautzen B. v. 12. 8. 2014 -3 B 498/13- LKV 2015, 83:
Wenn die Behörde die Aufgabe zur Post dokumentiert und das Schreiben nicht als unzustellbar zurückkommt, sind Zweifel am Zugang und am Zugangszeitpunkt – soll die Zugangsfiktion nicht ihren Sinn verlieren – nur gerechtfertigt, wenn der Adressat einen atypischen Geschehensablauf schlüssig vorträgt
Schwierig: wenn der Kläger vorträgt, den Bescheid früher erhalten zu haben, weil sich danach die Rechtslage zu seinen Lasten geändert hat
so im Fall OVG Lüneburg, U. v. 23.06.2009 -12 LC 136/07 NVwZ-RR 2009, 866, dort wird vertreten, auch insoweit reiche die bloße Behauptung nicht aus.
Bekanntgabe durch Teilnahme an Internetportal
Siehe § 41 II a (Bundes-)VwVfG ,
BVerwG B. v. 21.12.2017 –6 B 43/17 NVwZ 2018, 496: Bekanntgabe nach allgemeinen Regeln möglich, wenn –wie in NRW- Spezialvorschrift fehlt. Im konkreten Fall hat die Einstellung des Prüfungs-VA in das Online-Selbstbedienungsportal der Uni genügt, womit dieser ähnlich wie beim Brief im Briekasten in den „Machtbereich“ des Empfängers gelangt ist.
Eine formlose Bekanntgabe auch gegenüber einer Privatperson per De-Mail durch das Gericht:
soll nach OVG Bautzen, B. v. 17. 3. 2020 -5 E 108/19– LKV 2020, 558 gehen, wenn diese das Gerichtsverfahren selbst per De-Mail eingeleitet hat oder Schriftsätze so eingereicht hat, solange es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Privatperson damit nicht einverstanden ist.
Problem: Wenn die Behörde eine förmliche Zustellung wählt, obgleich dies nicht nötig wäre, muss sie grundsätzlich die Formvorschriften einhalten (Bsp. OVG Schleswig, DVBl 93, 890).
Klausurtaktisch ist es aber in der Regel sinnvoll und geboten, über den Mangel hinwegzukommen:
Die Lösung über § 8 VwZG (Heilung von Zustellungsmängeln) ist die sauberste.
Ansonsten werden Ausnahmen von diesem Grundsatz vertreten:
VGH Kassel NVwZ 86, 137: durch Widerspruch geheilt
OVG Münster NVwZ 95, 395: § 242 BGB wegen rügelosem Widerspruch .
Zustellung
BVerwG NJW 93, 2884: Zustellung nach § 5 I VwZG an Ehegatten durch Übergabe einer an beide adressierten Ausfertigung an einen Ehegatten ist gegenüber dem anderen (beiden, wenn Empfänger unbekannt) fehlerhaft, da die Übergabe einer Ausfertigung (§ 2 I VwZG) an jeden Empfänger erforderlich ist
aber:
*Duldungs/-Anscheins-Vollmacht reichen aber
vgl. BVerwG Urt. v. 25.02.1994 (-8 C 2/92-) DVBl 94, 810: ZU an WEG Verwalter reicht für Müllgebührenbescheid
*Viel geheilt auch durch § 8 VwZG
*Zustellung an den Notgeschäftsführer (Gesellschafter einer GbR nach § 744 II BGB analog anstelle an alle Gesellschafter) reicht bei ensprechender Maßnahme ,
so OVG Bautzen, B. v. 04.12.2018 -3 B 277/18- NJW 2019, 1763 (hier Ordnungsverfügung über Haus-Sicherungsmaßnahmen der Gefahrenabwehr).
Zustellungsfragen extra.