VGH Mannheim, U. v. 24.02.2022 – 1 S 2283/20, NVwZ-RR 2022, 911
Die Polizei hält am Sonntagmorgen um ca. 5 Uhr ein Fahrzeug an der mehrspurigen B 27 in Stuttgart an. Die Polizisten bemerken –so der Sachverhalt nach Beweiserhebung- deutlichen Alkoholgeruch im Fahrzeug, beim später klagenden Fahrer K glasige Augen, zittrige Finger und einen leicht schwankenden Gang. Einen Atemalkoholtest lehnt der K ab. Die Polizei untersagte die Weiterfahrt und ordnet eine Blutalkoholentnahme an. Das Fahrzeug steht verkehrsunsicher auf dem Fahrstreifen. Der Beifahrer, der Bruder des K, weigert sich, es wegzufahren. Auch jemand anderes wollen die Brüder nicht beauftragen. Die Polizei ordnet das Abschleppen an. Die Blutentnahme ca. 30 min später ergibt einen Blutalkoholwert von unter 0,08 o/oo.
Die Klage gegen den später ergangenen Kostenbescheid hat in erster Instanz Erfolg. Der VGH hat die Klage abgewiesen:
Rechtsgrundlage sei § 8 II 1 BWPolG. Danach sind die in den §§ 6 und 7 PolG bezeichneten Personen (Handlungsstörer/Zustandsstörer) zum Ersatz derjenigen Kosten verpflichtet, welche der Polizei durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme nach § 8 I 1 PolG entstanden sind („Die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme durch die Polizei ist nur zulässig, wenn der polizeiliche Zweck durch Maßnahmen gegen die in den §§ 6 und 7 bezeichneten Personen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann“).
Weil sofort gehandelt hätte werden müssen, sei am frühen Sonntagmorgen der Polizeivollzug zuständig gewesen, nicht die an sich zuständige Ortspolizeibehörde.
Der für ein unmittelbares Ausführen erforderliche fiktive Grundverwaltungsakt wäre rechtmäßig gewesen. Eine Maßnahme nach der polizeilichen Generalklausel wäre erforderlich gewesen. Das auf der Fahrbahne stehende Fahrzeug habe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dargestellt.
Der Kläger habe als Störer nicht zur Verfügung gestanden (der VGH geht von Zustandsstörereigenschaft nach § 7 BWPolG als Halter und sieht gleichzeitig den K als Fahrer für einen etwaigen Verhaltensstörer nach § 6 I BWPolG, die speziellere (Handlungs-)Verantwortlichkeit als Halter bleibt unerwähnt), weil er aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht zumindest eine Ordnungswidrigkeit begangen haben würde, wäre er weitergefahren (wird unter sehr ausführlicher Beweiswürdigung dargestellt).
Ermessensfehlerfrei habe die Polizei das Auto nicht selbst weggefahren, sondern ein Unternehmen beauftragt. Die entsprechende interne Anweisung sei sachgerecht, die Mehrkosten adäquat.
Entgegen dem Wortlaut („Entstehen [….] Kosten, so sind […]) habe die Behörde Ermessen, ob sie einen Störer zum Kostenersatz heranziehe. Regelmäßig sei zwar ein Störer heranzuziehen, in Ausnahmefällen wie bei einem Anscheinsstörer –wie hier- oder bei Gefahrenverdacht gelte jedoch anderes, wenn sich ex post die fehlende Gefahr bzw. die fehlende Verantwortlichkeit für die Verdachtsmomente herausstellen (Für Fälle, in denen die Gefahr durch/mit ein Auto verursacht wird, widerspricht dies m. E. der vorherrschenden Auffassung, die den Kfz-Halter immer für verantwortlich hält, solange er die Verfügungsgewalt nicht verloren hat; auch ansonsten ist eine Anscheinsgefahr eine echte Gefahr, auch soweit es um den Bezug zum Störer geht).
Der VGH geht von intendiertem Ermessen aus, so dass fehlende Ausführungen der Behörde unschädlich seien. Ausführlich wird dargelegt, weshalb sich der Kläger die Annahme seiner Fahruntüchtigkeit habe zurechnen lassen müssen, so dass kein Ausnahmefall vorliege.
Als „Kosten“ im Sinne des § 8 II 1 BWPolG habe die Behörde nicht nur die eigentlichen Unkosten (Rechnung des Abschleppunternehmens über 140 €), sondern auch eine Gebühr für die polizeiliche Tätigkeit vor Ort und eine für den Kostenbescheid selbst festsetzen dürfen „in Anlehnung an § 31 I BWVwVG“ („Für Amtshandlungen nach diesem Gesetz werden Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben.“). M. E. ist für eine rechtmäßige Gebührenfestsetzung eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung notwendig, weil Kosten nur tatsächlich entstandene sein können. Eine solche enthält aber § 4 II BWLGebG i. V. m der Gebührenverordnung Innenministerium und deren Anlage. Letztere wird vom VGH für die Überprüfung der Gebührenansätze auch herangezogen.