Feststellungsklage § 43 VwGO: Merkschema und Tatbestandsvoraussetzungen
1. Begriff des (feststellungsfähigen) Rechtsverhältnisses ,
mit Fallgruppe Feststellungsklage gegen (Vollzugs-)Behörde auch bei selbstvollziehender Rechtsverordnung
2. Klagebefugnis analog § 42 II VwGO nach der RS
3. Feststellungsinteresse
4. Subsidiarität § 43 II S. 1 VwGO
Daneben Zwischenfeststellungsklage nach § 173 VwGO i.V.m. § 256 II ZPO.
Tatbestandsvoraussetzungen der Feststellungsklage:
1. Begriff des (feststellungsfähigen) Rechtsverhältnisses = die aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm sich ergebenden rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache ( vgl. BVerwG, DVBl 1992, 1168)
„Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Rechtliche Beziehungen haben sich nur dann zu einem Rechtsverhältnis i. S. d. § § 43 Absatz I VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist“ (BVerwG, Urt. v. 30. 11. 2011 – 6 C 20.10- Rdnr. 12 LKV 2012, 27, 28 mit weit Nachw.
Verneint für nach Klägersicht wahrscheinliches E-Mail-Auswerten des BND des E-Mail-Verkehrs eines Anwaltes ins Ausland nach dem G 10-Gesetz (BVerwG, U. v. . 28.5.2014 – 6 A 1.13, NVwZ 2014, 1666, Bespr. JUS 2015, 670) „Eine Klage auf Feststellung, dass die strategische Beschränkung des Telekommunikationsverkehrs durch den BND nach § 5 G 10 in einem bestimmten Jahr rechtswidrig gewesen ist, ist nur zulässig, wenn zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden kann, dass der Telekommunikationsverkehr des Kl. im Zuge dieser strategischen Beschränkung tatsächlich erfasst worden ist.“
VGH München, Urt. v. 24. 11. 2011 – 20 B 11.1659, NVwZ-RR 2013, 169
Macht ein Abgabeschuldner gegenüber dem Abgabegläubiger geltend, dass ihm ein Abgabenbescheid nicht zugegangen ist, ist die Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses die richtige Klageart. Der Kläger kann die Feststellung verlangen, dass der Verwaltungsakt nicht wirksam geworden ist und deshalb die mit ihm beabsichtigte Regelung nicht erreicht hat. Weil ähnlich wie Nichtigkeitsfeststellungsklage
Feststellungsklage gegen (Vollzugs-)Behörde auch bei selbstvollziehender Rechtsverordnung also Feststellungsklage auf Rechtswidrigkeit der VO
(BVerwG NVwZ 2007, 1311 für VerpackO und ausführlich
BVerwG, U. v. 28.01.2010 -8 C 19/09-NVwZ 2010, 1300 Bespr. JuS 2011, 668 zur Feststellungsklage gegen eine Geltungserstreckung per VO eines Tarifvertrages über Mindestarbeitsbestimmungen nach § 1 III a AEntG a. F (Briefdienstleistungsbranche).
Mit genauer Darlegung des Rechtsverhältnisses und allgemeinen Darlegungen:
Konkretes Rechtsverhältnis ist gegeben, wenn die Norm unmittelbar Rechte und Pflichten des Betroffenen begründet, ohne dass eine Konkretisierung und Individualisierung durch Verwaltungsvollzug vorgesehen oder möglich ist.
vgl. in diesem Zusammenhang auch Art. 19 I UA II EUV; wichtig für direktvollziehbare EU-Normen: „Die Mitgliedstaaten schaffen die erforderlichen Rechtsbehelfe, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereich gewährleistet ist.
Vgl. aber OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 16. 4. 2021-OVG 1 S 43/21-, LKV 2021, 264: Obwohl eine Bundes-VO self-executing ist, fehlt es an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis (und scheidet damit auch eine vorläufige Feststellung im Rahmen des § 123 VwGO aus), soweit noch ein Verwaltungsvollzug möglich ist. So bei der Corona-ArbSchV mit Pflicht zu Maßnahmen zur Kontaktreduktion in Betrieben, Maskentragepflicht etc. Der bloße Verstoß sei, so das OVG, nicht bußgeldbewehrt. Es könne deshalb nachgeordneter Rechtsschutz gegen Anordnungen nach § 22 III ArbSchG in Anspruch genommen werden („Die zuständige Behörde kann im Einzelfall anordnen, 1. welche Maßnahmen der Arbeitgeber und die verantwortlichen Personen oder die Beschäftigten zur Erfüllung der Pflichten zu treffen haben, die sich aus diesem Gesetz und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergeben, 2. welche Maßnahmen der Arbeitgeber und die verantwortlichen Personen zur Abwendung einer besonderen Gefahr für Leben und Gesundheit der Beschäftigten zu treffen haben.“).
Änderung einer Nichtigkeitsfeststellungsklage § 43 I Alt.2 VwGO in eine nach normale nach § 43 I Alt. 1 VwGO ist mangels Änderung des Klagegrundes keine Klageänderung
(so VGH Mannheim, U. v. 15.10.2009 -2 S 1457/09).
2. Auch bei Feststellungsklagen ist eine vom Feststellungsinteresse unabhängig zu prüfende Klagebefugnis analog § 42 II VwGO nach der RS erforderlich
←dient die Klage der Verwirklichung eigener Rechte?
BVerwG, NVwZ 1991, 47o,471; BVerwGE 99, 64, 66: zur Vermeidung einer Popularklage; schönes Bsp. OVG Münster NWVBl 97, 232f keine Elternklage auf Nichtigkeit eines Vorausleistungsbescheides nach § 36 BaföG.
Es gibt auch eine Drittfeststellungsklage, vgl. BVerwG, Urt. v. 26.10.2016 -10 C 3/15- BVerwGE 156, 199 für Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines (im Rahmen der Sportförderung günstigen) Mietvertrages durch privaten Konkurrenten wegen eines EU-Beihilfen-Verstoßes.
3. Feststellungsinteresse im Wesentlichen wie bei der Fortsetzungsfeststellungsklage
(zum Beispiel Wiederholungsgefahr, vgl. BVerwG U. v. 16.5.2007 -3 C 8/06- NJW 2007, 2790 zur Klageänderung einer Verpflichtungsklage in eine Feststellungsklage, dass die Ablehnung rw gewesen sei).(gleich wie bei FfK: OVG Lüneburg NVwZ-RR 2007, 67)
BVerwG, Beschl. v. 20.12.2017 – 6 B 14/17 – NVwZ 2018, 739, 740: Aus anderen besonderen Umständen des Einzelfalls, wenn die Art des Eingriffs insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz es erfordert. Kokret: Betroffenheit durch die heimliche Erfassung und die Speicherung (in Fußballhooligandatei „Arbeitsdatei Szenekundige Beamte“ im Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG), ohne insoweit effektiven Rechtsschutz erlangen zu können.
BVerwG, B. v. 27.04.2021 -1 C 13/19 – NVwZ-RR 2021, 952 :Ein Feststellungsinteresse bei einer auf die Feststellung, keine Erlaubnis zu benötigen muss nicht zwingend nur gegen die Behörde gerichtet werden, welche für eine solche zuständig wäre, sondern auch an eine dritte Behörde, die sich eigener Zuständigkeiten berühmt. Im konkreten Fall wollten ukrainische Seeleute geklärt wissen, dass sie für eine Arbeitstätigkeit beim Off-shore-Supply keines Aufenthaltstitels bedürfen. Beklagter war die BRD, Bundespolizei
4. Subsidiarität der Feststellungsklage, § 43 II S. 1 VwGO
←soll unnötige Feststellungsklagen vermeiden, wenn für die Rechtsverfolgung ein unmittelbareres, sachnäheres und wirksameres Verfahren zur Verfügung steht (BVerwG st. Rs ).
Also z. B. nicht, wenn das Gegenteil des Gewollten eingeklagt werden könnte (kein Einklagen der Genehmigung, wenn man von Erlaubnisfreiheit ausgeht.
z.B. nicht nötig, Leistungsklage zu erheben (Fall oben BVerwGE 156,199 statt Mietvertrag-Nichtigkeitsfeststellungsklage Klage auf Mietsenkung)
Feststellungsklage ist auch gegenüber Leistungsklagen vor anderer Gerichtsbarkeit subsidiär (BVerwG NVwZ 2000, 1411 mit Besprechung Hufen JuS 2001,514:
Daneben gibt es auch die Zwischenfeststellungsklage nach § 173 VwGO i.V.m. § 256 II ZPO.
Statt dem normalen Feststellungsinteresse ist die Abhängigkeit der Entscheidung des Rechtsstreits von dem Rechtsverhältnis Voraussetzung. Daran ändert auch eine Abtrennung nichts (BVerwG B. v. 14.02.2011 -7 B 49/10 NVwZ 2011, 509 m. Bespr. in JuS 2011, 992,997, bestätigt im späteren Revisionsurteil v. 12.01.2012 -7 C 5/11- NVwZ 2012, 1184,1185)
Lesenswerter Fall: OVG Münster B. v. 12. 2.2007 -1 A 749/06 NJW 2007, 3798: Feststellungsklage eines Ref., dass die Beschlagnahme von Fotohandy etc bei Einlasskontrollen rw war: (Reha.interesse, Eingriffsintensität).