Vollstreckung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen

Vollstreckung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen

§§ 167ff VwGO

  • § 168 VwGO: nur ein dort genannter Titel (Kostenentscheidung, Leistungsurteil -allgm oder auf VA-Erlass-)
  • durch § 172 VwGO, (analog bei 80V, Verträgen, Vergleichen):

Androhung, Festsetzung und Beitreiben von Zwangsgeld. TBV Androhung: Titel/Klausel/Zustellung + Gläubigerantrag + Nichterfüllung innerhalb angemessener Zeit

  • für Geldforderungen gegen Staat § 170 VwGO:

Titel/keine Klausel nach § 171 VwGO/Zustellung + Antrag + ggf. Sicherheitsleistung + Nichtleistung innerh angem Frist + Aufforderung zur Vollstreckungsabwendung

  • passen bei Leistungsurteilen weder § 170 noch § 172 (z.B. Unterlassensansprüche) § 167 VwGO i. V. m. §§ 883ff ZPO
  • Vollstreckung gg Privatperson: § 169 VwGO

Schönes Beispiel OVG Bautzen, B. v. 26.8.2009 -1E 64/09- NVwZ-RR 2010,88 (VG hat alles falsch gemacht)

Vollstreckungsgläubiger im Sinne speziell dieser Norm sind aber nur die aufgeführten öffentlich-rechtlichen Körperschaften. Privatrechtssubjekte gehören nicht dazu, auch wenn sie beliehen sind (so VGH Kassel, B. v. 4.12.2019 – 1 E 1609/19 – NVwZ-RR 2020, 662, für diese gilt über § 167 II VwGO das ZPO-Vollstreckungsrecht.

Neue Tendenz in Folge der Nichtumsetzung von Urteilen zur Durchsetzung der Luftqualität: Nicht § 172 VwGO, sondern nach § 167 VwGO i. V. m. § 888 ZPO zum einen höheres Zwangsgeld, zum anderen nicht zu Gunsten des Staates, sondern eines Dritten: VG Stuttgart, B. 21.01.2020 – 17 K 5255/19- (mit Besprechung Will NZV 2020, 15)9 : 25.000 € für Kinderkrebshilfe.

EuGH hatte 19.12.2019 (C-752/18; Deutsche Umwelthilfe e. V./Freistaat Bayern) NJW 2020, 977 mit Bespr. Will NJW 2020, 963) auf Vorlage des VGH München (zur möglichen Zwangshaft für Ministerpräsident) entschieden, dass zwar die deutschen Grundrechte wegen des Anwendungsvorrangs unionsrechtlicher Regelungen (z. B. Luftqualitäts-und des Grundrechts auf effektiven Rechtsbehelf nach Art. 47 I GRCh nicht anwendbar seien (Dass § 888 ZPO nicht den Anforderungen der Art. 2 II 2, 104 GG an Freiheitsentziehung genügt, weil diese in berechenbarer, messbarer und kontrollierbarer Weise geregelt sein müsste, ist insoweit egal). Allerdings greift eine Zwangshaft nach EuGH aber auch in das Freiheitsgrundrecht aus Art. 6 GRCh ein, der i. V. m. Art.52 I GRCh u. a. verlangt, dass eine Freiheitseinschränkung aufgrund der einschlägigen nationalen Normen vorhersehbar sein muss. Ausweg laut EuGH: ein Gebot zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Zwangsvollstreckungsrechts unterhalb der Grenze der Freiheitseinschränkung. Das nationale Gericht muss u. a. prüfen, ob Zwangsgeldvorschriften in der Weise effektiv angewandt werden können, dass die Zwangsmittel auch wirkungsvoll sind.

(§ 888 ZPO Nicht vertretbare Handlungen Abs. 1 :Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.

Grundrechtscharta EU

Artikel 6 Recht auf Freiheit und Sicherheit

Jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit.

Artikel 47 Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht

Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.

Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten.

Artikel 52 Tragweite und Auslegung der Rechte und Grundsätze

(1)Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

(…))

Ein gerichtlicher Vergleich, der nicht nach Diktat erneut vorgelesen bzw. abgespielt wird (entgegen § 162 ZPO), ist kein Titel i. S. des § 138 I Nr. 3 VwG.

So OVG Lüneburg, B. v. 08.07.2021 -10 OB 98/21– NJW 2021, 3546-

Vollstreckungsabwehrklage des Staates

trotz Verurteilung: z. B. bei nachträglichem Bebauungsplan oder so gar Flächennutzungsplan vgl. Clausing JuS 2003, 793, 794 und Häußermann JA 2003, 467 zu BVerwG NVwZ 2003, 214.

Zustellung der Androhung kann nicht durch öffentliche Bekanntgabe ersetzt werden,

so OVG Münster B. v. 24.07,2007 -13 B 950/07- NVwZ-RR 2008, 294